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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

         Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

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                                                             zum  Buchstaben  H             zu   Maler.  

 Bernhard   Heising     

* 31.3.1925 in Breslau,

10. Juni 2011 in Strodehne.

Maler, Graphiker.

   
 

Bernhard Heisig wuchs zwar in seinen ersten fast acht Jahren noch in der Weimarer Republik auf, aber diese Republik hatte zum Reichspräsidenten und Staatsoberhaupt bereits nicht mehr einen Republikaner wie Friedrich Ebert, der erste Reichspräsident, einer gewesen war, gewählt, sondern den Feldmarschall des Weltkrieges, Paul von Hindenburg, einen Ersatzmonarchen. Der Vater Bernhards war Maler, aber konnte von diesem Beruf die Familie nicht ernähren, so daß er andere Tätigkeiten ergreifen mußte, mit der Folge, daß er von einem Baugerüst stürzte und 1941 starb. Die Mutter brachte als Arbeiterin in einer chemischen Reinigung das notwendige Geld ins Haus.

 Geschwisterlos wuchs Bernhard Heisig auf. Sein Lebenslauf ist dadurch gekennzeichnet, daß er zwei Diktaturen erlebt hat, zuerst die nationalsozialistische unter Adolf Hitler und dann seit 1946 die kommunistische unter Walter Ulbricht und Erich Honecker. Es wäre eine Falschbehauptung, wollte man erklären, daß er die beiden Diktaturen habe erleiden müssen. Richtig ist vielmehr, daß er zum einen ein begeisterter, wenn nicht sogar fanatischer Angehöriger der Hitler-Jugend gewesen ist, daß er zum anderen seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Staatspartei (bis 1989) aus freien Stücken vollzog und sich über die Maßen engagiert hat.

Mit 16 Jahren und der Mittleren Reife belegte er, um Gebrauchsgrafiker zu werden, zwei Semester an der Kunstgewerbeschule, jetzt Meisterschule des Deutschen Handwerks genannt, und meldete sich in diesem Jahr 1941 freiwillig für den Kriegsdienst an. 1942 wurde er auf seinen Wunsch zur Panzertruppe nach einem Vorlauf im Arbeitsdienst eingezogen. Mit der SS-Panzerdivision „Hitler-Jugend“ ist er in den Krieg gezogen. Sein erster Einsatz war 1944 an der Invasionsfront. Im Dezember, während der Ardennenoffensive, wurde er verwundet. Anschließend wurde er in seiner Geburtsstadt Breslau, inzwischen zur Festung erklärt, auf eigenen Wunsch, wieder zur Kampftruppe zu gehören, in die aussichtslose Verteidigung Breslaus kommandiert. Erneut verwundet geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft, konnte diese aber als Zwanzigjähriger bald wieder verlassen. Als Gebrauchsgrafiker arbeitete er bei einer neu installierten polnischen Firma, bis er zusammen mit seiner Mutter nach Mitteldeutschland vertrieben wurde. Die Stationen heißen Zeitz, Gera und Leipzig, und Leipzig ist für 40 Jahre seine Bleibe und Wirkungsstätte.

Er begann jetzt ein Studium an der Leipziger Akademie Grafische Künste und Buchgewerbe, nach dem Weggang seines Lehrers nach Dresden brach er sein Studium ab und arbeitete freiberuflich mit werbegrafischen Arbeiten für Messen und Ausstellungen. Gleichzeitig heißt es in einer Biographie: „Bernhard Heisig bejaht die politische und gesellschaftliche Entwicklung in der DDR. Die soziale und historische Verantwortung, die dem Künstler von der SED zugesprochen wird, bestimmt sein Selbstverständnis. Er ist jedoch nicht bereit, sich einem engen Reglement zu unterwerfen“.

Als in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Bernhard Heisig mit Gemälden und Grafiken in vielen Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland gezeigt wurde, nahm er Stellung zu seiner Position im und gegenüber dem „sozialistischen Realismus“. Er schrieb 1983 für die Kunstzeitschrift „ART“: „Wenn mir in den fünfziger Jahren manches nicht so gelang, so lag das eben an mir und nicht an irgendeinem Stilkorsett. Kunst ist keine Illustration von politischen Konzeptionen, und wo solche gefordert und gemacht wird, erzeugt das bei bester Absicht schlechte Bilder“. Und noch einmal wehrte sich der Maler gegen das Ansinnen, in seiner Kunst vor der Parteiideologie bestimmt worden zu sein: „... so mußte befestigt werden, daß sozialistischer Realismus kein Stilkorsett ist, sondern auf die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft zielt“. Spöttisch fügte er hinzu, um seine Individualität als Künstler zu behaupten: „Die Bilder, die gebraucht wurden, waren bereits gemalt“.

Fest in Partei und Staat, also in SED und DDR, und dies ohne Kritik und Widerspruch, ein- und untergeordnet, erzielte er mit seinen Bildern zum Thema „Aufstand und Kommune in Paris 1871“ den Durchbruch als Maler. Es war dies ein politisch-sozialer Konflikt gewesen, von der Linken mehrheitlich getragen, von den Ordnungskräften der Nationalversammlung niedergeschlagen. Der Kampf, der nicht mit einem Sieg, sondern mit einer Niederlage der Linken geendet hat, sollte sinnbildhaft in die Erinnerung gerufen und gleichzeitig heroisiert dargestellt werden. Es entstanden gleich mehrere Fassungen, und Bernhard Heisig hielt sich auch nicht vor Zerstörung, das heißt Vernichtung des einen oder anderen eigenen Bildes zurück.

Es ist ein Zwiespalt, in dem er lebt und als Maler produziert. Er sagt uneingeschränkt und unkritisch Ja zum Marxismus, Kommunismus, Sozialismus, gerade auch zu seiner „Verwirklichung und Repräsentanz in der Deutschen Demokratischen Republik auf deutschem Boden“, aber als Künstler will er sich in eigener Handschrift präsentieren. Man könnte es auf die Formel bringen: als Künstler mit eigener Handschrift will ich kommunistische Tradition und das Erbe als Verpflichtung dank der Phantasie des Künstlers und des Spiels der Farben bildlich umsetzen, in subjektiven Gemälden darstellen. 1962, in die V. Deutschen Kunstausstellung der DDR in Dresden, waren die Bilder von den Märzkämpfen 1871 in Paris aufgenommen. Aber es setzte auch gleich ideologisch bestimmte Kritik ein. „Geschichtspessimismus“, „Subjektivismus“, „Preisgabe realistischer Positionen“ wurden ihm vorgeworfen, „historische Erfahrungen des Marxismus seien nicht bildwirksam geworden“. Das Sinnbildhafte, das Bedeuten-Sollen anstatt eines Bedeuten-Wollens wollte nicht behagen.

Auf seinem beruflichen Weg schritt Bernhard Heisig Stufe um Stufe höher. Der Dozent an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst wurde 1961 zum Professor ernannt und zum Rektor der Hochschule gewählt. 1968 schied er wieder aus, ideologische Angriffe von Dogmatikern der zeitbezogenen Kunst eines „sozialistischen Realismus“ waren schuld daran. Seinen Bildern wurde ein Zug „ins Amorphe, ins Destruktive, ins Morbide“ vorgeworfen, sie seien „Ausdruck einer subjektivistischen, einer falschen Auffassung vom Wesen des sozialistischen Menschen“. 1976 war er jedoch wieder Rektor der Leipziger Hochschule und lehrte in der Fachklasse für Malerei und Grafik.

Ein neues Thema in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hieß für den geborenen Breslauer seine Heimatstadt, der Untergang im Frühjahr 1945. Es sind Bilder der Anklage, und die Schuldigen heißen Partei und Wehrmacht, die NSDAP und die Generalität. Die Retrospektive zum 80. Geburtstag, in Leipzig eröffnet, dann in Berlin gezeigt und in einer verkürzten Fassung in Breslau, hieß nicht ohne Grund „Die Wut der Bilder“. Bernhard Heisig wollte nicht nur darstellen und Anklage erheben, er wollte auch Angst und Zorn in den Gemälden aussagen, sich in seinen Bildern befreien. Die Aussagen in ihrer sich wiederholenden Direktheit im Dialog mit dem Betrachter scheinen einen fast zu erschlagen. Sie zwingen ihn, all den symbolträchtigen Zeichen und Andeutungen nachzugehen und nachzusinnen. Die bewußt gewählten Requisiten wiederholen sich: Stahlhelme, Parteimützen, Kanonenrohre, aufgepflanzte Bajonette an den Gewehrläufen, Lautsprecher en masse, Trompeten, dazu Körperteile, von den Herrschenden Verurteilte und Gehängte.

Die Furie des Krieges ist wachgerufen. Und sie ist lokalisiert in Breslau, die Oder, die Brücken, der Dom mit seinen beiden Türmen sind nicht nur als Kulisse angedeutet, sondern in das Bild, gleichfalls als Anklage, einbezogen.

Man wird an Otto Dix und seine Kriegsbilder nach dem Ersten Weltkrieg erinnert. Bernhard Heisig setzt diese malerische Tradition fort, mit einer reicheren Palette, und diese gemahnt an Lovis Corinth und Oskar Kokoschka, gleichzeitig mit den vielen Köpfen und Gesichertem symbolträchtig wie bei James Ensor.

Manches Gemälde will nicht vordergründig gleich verstanden werden und Zustimmung auslösen, sondern das Unbegreifliche dieser Welt erhellen, zumindest aber zum bohrenden Fragen provozieren. Es seien als Titel von Bildern herausgegriffen „Christus verweigert den Gehorsam“, „lkarus, Schwierigkeiten bei der Suche nach der Wahrheit“, „Mechanik des Vergessens“, „Der Ruhm von gestern“. In dem Sinnlosen der jüngsten Vergangenheit einen Sinn zu finden, beschäftigt den Maler und von den selbst erfahrenen Zeitläufen geprägten Bürger dieser, unserer Jahrzehnte.

Die Anklage, die auch die selbst mitgemachte Ardennen-Offensive des Winters 1944 mit einbezieht, weitet sich auf Preußen und das Preußische aus, historisch ausgemacht am Bild Friedrichs des Großen. Ein Bild, 1988 gemalt, das bereits 1983 gestellte Thema wieder aufgreifend, nennt sich „Preußisches Stillleben“, eine Symbiose der zum Angriff blasenden Trompete und eines Totenkopfes. Zu den Angeklagten gehört für Bernhard Heisig auch der Preußenkönig, dargestellt als ein alter Mann vor einem die Vergangenheit beschwörenden Hintergrund, Titel des gleichfalls 1988 gemalten Bildes „Der Feldherrenhügel“. Man ist versucht anzunehmen, daß für den Breslauer Bernhard Heisig manches, wohl sogar vieles der grausamen Katastrophe ein Erbe der Glanzzeit der preußischen Hohenzollern gewesen ist. Doch wohl parteiliche Ideologie?!

Einige Gemälde zeichnen sich auch dadurch aus, nicht gerade ein Gewinn im Sinne des Ästhetischen, indem Spruchbänder, wohl um direkter zu wirken, in den Bildern zu lesen sind. Als Beispiel zum Gemälde über die Märzrevolution 1848 in Berlin „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ und zum Bild „Beharrlichkeit des Vergessens“, 1977, „Wir sind doch alle Brüder (und) Schwestern“.

Die zahlreichen Gemälde, in denen die jüngste Geschichte und die früheren Ereignisse zum aufklärenden Verständnis für die Gegenwart einladen und auffordern sollen, sind ein deutungsfähiges und zur subjektiven Interpretation, gleichsam zum Neulesen zwingendes Opus. Aber das Selbstporträt, die Porträts der Mutter wie auch gelegentliche andere Porträts, so das des seinerzeitigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, offenbaren – überspitzt ausgedruckt ohne das Drum und Dran – die Größe des Malers, seines Stils, seiner Farbengewißheit, seines handwerklichen Vermögens. Die Bilder der Mutter, in den Jahren des Älterwerdens geradezu liebevoll und doch realistisch festgehalten, vielleicht sogar als Spätimpressionismus zu verstehen, sind Zeugnisse einer großartigen Beherrschung der Kunst. Das Selbstbildnis, 1985/1986 datiert, zeichnet sich durch farbige Zurückhaltung aus. Hier wird Atmosphäre und Stimmigkeit vermittelt, die das Wollen mit der Schilderung einer realistischen Vergangenheit jeglichen Ton der Anklage vergessen macht. Nicht unerwähnt darf jedoch bleiben, daß auch Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin porträtiert worden sind, Lenin einmal sogar in der eleganten Pose eines Anwalts.

Der Grafiker hat sich wiederholt den Krieg zum Thema gewählt, indem er Illustrationen zu den Büchern von Erich Maria Remarque „Im Westen nichts Neues“ und zu Ludwig Renn „Der Krieg“ lieferte und damit sich in den Ersten Weltkrieg einarbeitete. Aus der Zeit der beginnenden Zwangsherrschaft des Nationalsozialismus suchte er sich mit dem Roman von Anna Seghers „Das siebte Kreuz“ Vorgaben für die zeichnerische Illustration aus. Auch in der Grafik ist nicht das Vordergründige, sondern das Hintersinnige, das Interpretationsfähige Ziel und Absicht des Zeichners.

Der Staat, in dem Bernhard Heisig bis 1989 gelebt hat, zeichnete ihn mit dem Nationalpreis aus. Und selbstverständlich sollten journalistische Fotografien mit den Mächtigen Walter Ulbricht und Erich Honecker über die Bedeutung von Bernhard Heisig und seine Rolle im Staat und hier vor allem in der Kunst Dokumentarisches aussagen. Die Universität Leipzig ehrte ihn mit der Ehrendoktorwürde. Neben Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke gehörte er zu den große Künstlern in der DDR und wurde mit Ende der siebziger Jahre auch in der Bundesrepublik Deutschland in Ausstellungen zustimmend kritisch zur Kenntnis genommen. Bernhard Heisig wurde als der „Kunstpapst“ sowohl im Inneren der DDR als auch nach außen angesehen. Die Frage ist allerdings nach wie vor offen und wird sich wohl auch nicht mit einem absoluten Ja oder Nein beantworten lassen: War und ist Bernhard Heisig nur deswegen ein bekannter Name und zu rühmen, weil er parteiideologisch ein treuer Diener der Staatsideologie des Kommunismus gewesen ist, oder ist er ungeachtet dieser Festlegung ein so großer Maler, daß ihm trotz der Verstrickung in die kommunistische Parteilichkeit uneingeschränkt Größe zu bestätigen ist. Als er mit einem Bild für die Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages im Berliner Reichtag beauftragt wurde, gab es Widerspruch und Protest, denn man könne ihn nicht von der Hörigkeit und Gefälligkeit gegenüber der kommunistischen Diktatur frei sprechen.

Nicht unterschlagen werden darf die Anmerkung, daß Bernhard Heisig, der die Vergangenheit bis 1945 mutig aufgearbeitet und in seinem malerischen Werk angeklagt hat, für die folgenden Jahrzehnte, Vertreibung und erneute Einparteienherrschaft sich selbst zum Schweigen verurteilt hat. Es seien nur der 17. Juni 1953 und die Errichtung der Mauer am 13. August 1961 genannt. Gewiß, im Jahr der Wende, 1989, gab er die hohen Auszeichnungen mit dem Nationalpreis unter Angabe von überzeugenden Gründen zurück, aber davor lagen vier Jahrzehnte der Gefälligkeit und Hörigkeit, 1933 als unmündiger Bursche damit beginnend, nach 1946 in Mitteldeutschland, der späteren DDR fortgesetzt.

Die Auseinandersetzung mit Person und Werk Bernhard Heisigs hält immer noch an, entschieden ist sie noch nicht.

   
 

Quelle; " Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen."