Hans Caudir von Spiegel, auch Johannes Gaudier genannt Spiegel von Stre••ndorf (* Anfang des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich in Niederschlesien; † 30. August 1579 in Glatz, Grafschaft Glatz) war Komtur der Johanniterkommende Glatz. Für die Kaiser Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolph II. war er als Dolmetscher und Übersetzer der türkischen, arabischen und persischen Sprache tätig.

Hans Caudir genannt Spiegel entstammte einer Adelsfamilie, deren Name vermutlich mit der Wasserburg Kauder (Kłaczyna) bei Bolkenhain (Bolków) im Herzogtum Schweidnitz-Jauer zusammenhängt.[1] Es ist nicht genau bekannt, wo er seine Kenntnisse der türkischen, arabischen und persischen Sprache erworben hat. Vermutlich hat er Türkisch in Wort und (arabischer) Schrift während einer mehrjährigen Kriegsgefangenschaft erlernt.

Am Ersten Österreichischen Türkenkrieg Kaiser Karls V. (1500–1558) und König Ferdinands I. (1503–1564) hatten ab 1526 auch Schlesier teilgenommen. Ein Fürstentag in Breslau bewilligte 1529 ein schlesisches Truppenkontingent und eine Türkensteuer. In den Türkenkriegen kamen dabei verschiedentlich Johanniter-Malteser-Ritter zum Einsatz.

Um 1541 übernahm Caudir den neugeschaffenen Posten eines „turkischen Tulmätschen“ in Wien. 1544 bestätigte König Ferdinand I. Caudirs Adelsstand und gewährte ihm eine Wappenbesserung.

Hieronymus Beck von Leopoldsdorf (1525–1596) hatte von seiner Pilgerfahrt nach Palästina 1551 die Schrift Tarih-i al-i Osmani (= Geschichte der Osmanen) des Muhyiddin Ibn-Alaeddin Ali El-Cemali (Mehmed Muhyi-d-Din) aus der Türkei mitgebracht, die zeitgenössische Kurzfassung einer altosmanischen Chronik. Es war das erste türkische Werk über den Ursprung der Osmanen und ihre Geschichte, das in Europa bekannt wurde. Hieronymus Beck übergab die Handschrift König (ab 1558 Kaiser) Ferdinand I., der sie von seinem Dolmetscher Hans Caudier genannt Spiegel übersetzen ließ. Markus Ambrosius von Brosenthal (* um 1530/35; † nach 1592) aus Neisse (Nysa) besorgte 1567 eine Veröffentlichung der Übersetzung, die er den Herzögen Georg II. von Brieg (1523–1586) und Heinrich XI. von Liegnitz (1539–1588) widmete.

Der Wiener Nuntius Girolamo Martinengo (1504–1569), Abt von Leno, sandte 1552 Schriftstücke von Kardinal Georg Martinuzzi (1482–1551), dem Statthalter von Siebenbürgen, an den türkischen Oberbefehlshaber in Ungarn Kara Ahmed Pascha († 1555) und den Hauptdolmetscher der Hohen Pforte İbrahim Beg alias Joachim Strasz († 1571) und bestätigte, dass die Übersetzung der türkisch geschriebenen Schriftstücke aus dem Besitz des verstorbenen Kardinals ins Deutsche durch „Joannes Spiegl juratus interpres“ erfolgt war.

Als Nachfolger des Niklas von Waldau oder Welda wurde Hans Caudir 1558 Komtur der Glatzer Johanniterkommende des Ordens Sanct Johannis Hierosolymitani (Hl. Johannes zu Jerusalem).

Dem neuen („jetzo“) Komtur „Hanns Candior Spiegl“, kaiserlichem Dolmetsch der türkischen Sprache, wurde bereits im selben Jahr vorgeworfen, dass er einen jungen, in Laibach geweihten Priester aus Thüringen zum Stadtpfarrer eingesetzt hatte, der zuvor – noch als Kaplan dieser Pfarre – einem kranken Edelmann aus Schlesien die „Communion sub utraque specie … aus dem Lutherischen Catechismo … consecriert … und gereicht“ hatte. Der Bericht einer kaiserlichen Visitations-Kommission unter der Leitung des böhmischen Rates Wenzel Haugwitz von Biskupitz aus Leitomischl[14] stellte im Juli 1558 – noch während der Vakanz der Komtur – fest, dass dieser neue Kaplan Nicolaus, der im übrigen pardoniert wurde, „einst“ einem „von Adel Spiegel genannt“ das Abendmahl in beiderlei Gestalt gereicht hatte. Der Glatzer Hofprediger und Archidiakon Christoph Neaetius († 1574) berichtete später dasselbe. Es kann sich bei diesem „Spiegel“ nicht um Hans Caudir – der Neaetius bekannt war –, sondern muss sich um eine andere Person mit diesem Nachnamen, vielleicht einen Verwandten gehandelt haben.

Nach dem Tod des Wittelsbachers Ernst von Bayern (1500–1560), der als Pfandherr der unmittelbar zu Böhmen gehörenden Grafschaft Glatz seit 1556 in Glatz residiert und eine Gegenreformation betrieben hatte, löste Kaiser Ferdinand I. von dessen Nachfolger Herzog Albrecht V. von Bayern (1528–1579) 1561 die Pfandschaft aus. Danach wurde die protestantische Religionsausübung in der Grafschaft wieder möglich. Mit Zustimmung des Landeshauptmanns Christian Mucheck von Buckau († 1572) und des Komturs Hans Caudier genannt Spiegel, dem der Pfarrsatz an der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt zustand, wurden vom Magistrat der Stadt in der Folge lutherische Pfarrer nach Glatz berufen: 1562 Magister Johann Prager, 1563 Magister Abraham Zenckfrey († um 1610) und 1564 Andreas Eising d. Ä. (1524–1591). Hans Caudir willigte auch darin ein, dass die Lateinschule der Johanniter 1561 in die Verwaltung des Magistrats überging, 1565 durch einen Neubau ersetzt und mit lutherischen Lehrern besetzt wurde. Dem Rektor der Schule – zunächst Martin Schmid, ab 1570 Martin Sturm (* um 1539; † 1593) – stellte der Komtur einen Freitisch auf seinem „Kreuzhoffe“ zur Verfügung.

Auch nach der Übernahme der Komtur in Glatz und seiner Hinwendung zum Protestantismus blieb Hans Caudir als Dolmetscher im Dienst der Habsburger. Aus dem Jahr 1562 ist die Übersetzung des mit den Osmanen auf acht Jahre geschlossenen Friedensvertrages erhalten, die „Ioannes Gaudiceius,[26] Spiegelus dictus, Ferdinandi interpres“ aus dem Türkischen und Arabischen anfertigte. 1566 nahm „Hans Spegel“ im Gefolge des Kaisers als „Röm. Kay. May. Hofdiener, so auff … zwey pferdt besoldung“ hatte, am Augsburger Reichstag teil.

Sein Gehalt betrug 1567 unter Kaiser Maximilian II. (1527–1576) monatlich 30 Gulden, seine Kollegen Sigmund Gentsch und Lucas Dragschütz (Drachschütz, Träckschitz; wohl: Lukaš Dragšić), beide ebenfalls Dolmetscher für die türkische Sprache, erhielten 20 Gulden bzw. 15 Gulden. Auch als Mitglied des Hofstaates Rudolphs II. (1552–1612) erhielt „Tulmatsch Hannß Caudier genandt Spiegl von Schrependorff“ bis zu seinem Tod 30 Gulden. Leonhard Krentzheim (1532–1598), der Superintendent des Herzogtums Liegnitz, ließ sich von Caudier für eine Veröffentlichung das Jahr „1561“ der christlichen Zeitrechnung in das Jahr „968“ des islamischen Kalenders umrechnen.