Johann Nepomuk Alois Fietzek (polnisch Jan Nepomucen Alojzy Ficek, auch bekannt unter den Namen Ficek, Fiecek, Fietzeck; * 9. Mai 1790 in Groß Döbern; † 18. Februar 1862 in Deutsch Piekar) war ein oberschlesischer katholischer Pfarrer, Wohltäter und Sozialaktivist, Vorkämpfer der Mäßigkeitsbewegung und Polonisator.

Er war das zehnte von sechzehn Kindern des Bauern Joseph Fietzeck und dessen Frau Maria (geb. Pampuch). Die Familie war tiefgläubig katholisch. Sein Vater unterstützte aktiv polnische Emissäre, welche zur Zeit des Kościuszko-Aufstandes (1794) aus Polen nach Schlesien kamen, und pflegte polnisches Nationalbewusstsein.[1]

1807 trat er in das Oberglogauer Lehrerseminar ein, wo er nach zwei Jahren das Lehrerdekret mit Auszeichnung erwarb. Anschließend wurde er Hilfslehrer in Krapitz. Bald aber spürte er die Berufung zur geistlichen Laufbahn, worin ihn sowohl sein älterer Bruder, Sebastian, der bereits Priester war, als auch sein Onkel, Dr. Simon Sobiech, der das Bischöfliche Alumnat in Breslau leitete, bestärkten. Auf ihre Hilfe durfte er stets vertrauen. Daher schrieb er sich 1812 zunächst am Königlich Katholischen Gymnasium in Oppeln ein. 1814 nahm er das Studium der katholischen Theologie (am akademischen Seminar des Matthias-Gymnasiums) in Breslau auf. Wegen des Kriegsausbruchs gegen Napoleon befürchtete er ins preußische Heer eingezogen zu werden, brach sein Studium in Breslau ab und begab sich nach Krakau (damals eine neutrale "Republik Krakau"), wo er Dank der Unterstützung des Dekans Włodarski aus Groß Stein das Studium am Seminar des Ordens der Missionare (lat.: Congregatio Missionis) abschließen durfte.

Am 19. Juli 1817 wurde Fietzeck vom damaligen Krakauer Bischof Jan Paweł Woronicz - dem späteren Primas von Polen und Erzbischof von Warschau – zum Priester geweiht. Danach wurde er Vikar in Czeladź (Bistum Krakau) im russischen Kongresspolen, wo er sich insbesondere um die vernachlässigten Jugendlichen kümmerte. Aber dank der Fürsprache des Dekans Włodarski aus Groß Stein durfte er nach Oberschlesien zurückkehren, wo er 1820 Pfarrer in Ziemientzitz wurde. Die preußische Provinz Schlesien war fast deckungsgleich mit dem katholischen Bistum Breslau.

Auf Beschluss des Breslauer Generalvikariats vom 4. März 1826 wechselte Fietzeck zunächst als Administrator und Kurator des Mariensanktuariums nach Deutsch-Piekar, bevor er dort offiziell die Propstei übernahm. Wiederum engagierte er sich in der Wohlfahrt, wo er trotz neuer Ämter zeitlebens verbleiben sollte. Der Wiederaufbau des dortigen Mariensanktuariums wurde zu seinem Lebenswerk. 1834 wurde er zum Dekan von Beuthen und im Jahre 1835 zum Kommissar von Pleß und Beuthen ernannt. 1838 beförderte ihn der Breslauer Bischof Leopold von Sedlnitzky zum Ehrendomkanonikus von Breslau, was eine bedeutende Auszeichnung war. Weitere Ehrungen und Ablässe erhielt er vom Papst Pius IX. während seiner Reise nach Rom 1854.

Fietzeck blieb bis zu seinem Tode auf seiner Pfarre in Piekar, obwohl er durchaus gute Aufstiegschancen gehabt hätte. Er sah seine persönliche Berufung darin, den katholischen Glauben und die polnische Sprache in Oberschlesien zu stärken, was er auch sehr erfolgreich tat. Unter seinen Ministranten wählte er die besonders fleißigen und begabten aus, um ihnen eine höhere schulische Ausbildung oder ein Studium zu ermöglichen. Viele von ihnen wurden dank seiner (auch finanziellen) Hilfe zu Priestern und Lehrern. Bis dahin gab es unter den oberschlesischen Autochthonen kaum Personen mit höherer Bildung. 1854 pilgerte Fietzeck zusammen mit dem Breslauer Bischof Förster nach Rom, wo er vom Papst Pius IX. große Unterstützung und zahlreiche Privilegien für seine Projekte erfuhr. Auch knüpfte er dort neue Kontakte zu Polonophilen, von denen er sich Unterstützung für sein Werk und seine Zöglinge erhoffte. Er war hervorragend vernetzt und pflegte seine Verbindungen mittels zahlreicher Briefe, die nach seinem Ableben verlegt wurden. Zum Lebensende litt Pfarrer Fietzeck zunehmend unter schwacher Gesundheit und Asthma. Auch zahlreiche Kuraufenthalte brachten keine nachhaltige Besserung. Als Fietzeck am 16. Februar 1862 starb, wurde sichtbar, wie sehr er zu Lebzeiten geschätzt worden war: Über 100 Priester aus dem In- und Ausland sowie Tausende von Gläubigen leisteten ihm das letzte Geleit.

1826 wurde Fietzek auf die Pfarre von Deutsch-Piekar versetzt. Große Anerkennung erwarb sich Pfarrer Fietzeck wegen seiner Hilfsinitiativen in der Krankenpflege während der Epidemien von Cholera (1830) und Typhus (1848). Als 1830 eine Choleraepidemie in seiner Pfarrgemeinde ausbrach, unterbrach er seinen Kuraufenthalt in Solec und gab seine ganzen Ersparnisse für die Pflege der kranken Gemeindemitglieder und Waisen, für die er auch Geld sammelte. Es war seine Idee, festen Hilfs- und Pflegedienst in Piekar einzurichten und zu betreiben, denn Epidemien gab es damals immer wieder.

Als begabter Prediger konnte Fietzeck immer wieder große Menschenscharen für seine Ideen gewinnen. Überhaupt galt er als das Ideal eines sozial engagierten katholischen Priesters ganz im Sinne des heiligen Vinzenz von Paul. Die zunehmende Verarmung der einfachen Bevölkerung zur Zeit der aufkommenden Industrialisierung ließ ihn nicht unberührt. Eine Ursache hierfür sah er im sittlichen Verfall und dem Alkoholismus. Denn die Überschüsse an Kartoffeln und Getreide wurden zu hochprozentigem Schnaps vergoren und den Prekariern (im Gegensatz zu anderen Produkten und Lebensmitteln) auf Kredit verkauft. Damals wuchs der Absatz von Schnaps viermal schneller als der von Bier. Der Alkoholkonsum nahm so überhand, dass in Oberschlesien stellenweise eine Schankwirtschaft auf 150 Einwohner kam, was die Armen noch ärmer machte. Gefährlichen sozialen Sprengstoff barg die Tatsache, dass die Brennereien überwiegend protestantischen Deutschen und die Schankwirtschaften den Juden gehörten.

Der Ansatz von Fietzeck als "Abstinenzler" ging nicht davon aus, den Abhängigen den Alkohol ersatzlos wegzunehmen, sondern er kämpfte gegen den Alkoholmissbrauch, während ein mäßiger Konsum von Bier und Wein durchaus toleriert wurde. Dabei baute er auf die Religiosität der einfachen Bevölkerung mit besonderer Neubelebung des Marienkultes. Das war insofern naheliegend, als Deutsch Piekar ein traditionsreicher Marienwallfahrtsort war. Zuerst sollte die Bevölkerung mit Predigten und Moralliteratur sensibilisiert werden. Die gewonnene Freizeit sollte in wohltätigen, gemeinnützigen, karitativen oder religiösen Vereinen sinnvoll eingesetzt werden und das am Alkohol eingesparte Geld sollte zinsbringend angelegt und für nützliche Dinge sowie Bildung ausgegeben werden. Pfarrer Fietzeck initiierte oder gründete selbst zahlreiche Vereine, Kongregationen (z. B. Hedwigskongregation) und Bruderschaften (z. B. Marianengesellschaft), die teilweise bis heute existieren.

Zuletzt setzte er auf soziale Kontrolle und psychischen Druck. Komitees aus lokalen Honoratioren patrouillierten vor den Kneipen, der Pfarrer sprach die Trinker öffentlich auf ihr Problem an, Kinder wurden dazu animiert, sie nachzuäffen und zu verulken. Die katholischen Priester vom Schlage Fietzecks pflegten einen regen Austausch von Ideen und Schriften und bildeten ein grenzüberschreitendes Netzwerk: Fietzeck korrespondierte rege mit dem irischen Kapuziner Theobald Mathew und dem Pfarrer Johann Seling aus Osnabrück. Auch knüpfte er Kontakte sogar – wenn auch seltener – über die Konfessionsgrenzen hinweg.

Es war an der Zeit, als die Kirchen – nicht nur die katholische – dem Alkohol den Kampf angesagt hatten. Die Abstinenzlerbewegung war also eine zwingende Reaktion auf die Begleiterscheinungen des rücksichtslosen Manchesterkapitalismus, aber – im Gegensatz zur Arbeiterbewegung – ohne dabei das Gesellschaftssystem in Frage zu stellen und gegen die Obrigkeit aufzubegehren. Vielmehr erhoffte man sich politische und administrative Unterstützung vom Staat. Anfänglich verhielt sich der Staat zurückhaltend bis reserviert, denn der Rückgang des Alkoholkonsums war ungünstig für das Steueraufkommen. Allein 1844 schlossen in der Provinz Schlesien 18 Brennereien, 108 wurden stillgelegt, weshalb die jährliche Schnapsproduktion um ca. 45.000 Eimer sank. Im Folgejahr schlossen 85 Brennereien und 206 wurden stillgelegt, was einen Produktionsrückgang um 48.000 Eimer Alkohol bedeutete. Man bezifferte den auf Fietzecks Nüchternheitsaktion von 1845 zurückzuführenden Steuereinbruch mit 254.484 Taler.[8] Auch die weniger offensiv angegangenen Brauereien litten unter der Kampagne: 1844 mussten 20 davon schließen und im Jahr darauf sogar 185. Fietzeck forderte aber auch eine höhere Besteuerung des Alkohols, höhere Auflagen an die Schankwirte sowie Verteuerung von Brenn- und Schanklizenzen, was Steuerausfälle reduzieren sollte, was dem Fiskus wieder gefiel. Der Erfolg der Abstinenzlerbewegung resultierte in weniger Betrunkenen auf den Straßen, im signifikanten Rückgang von Arbeitsunfällen und im Rückgang der alkoholbedingten Kriminalität. Das überzeugte die Behörden. Auch der Breslauer Bischof von Diepenbrock, der sich durch sein soziales Engagement hervortat, hat das Projekt und seinen Initiator lobend anerkannt.

Fietzeck war ein begnadeter Prediger, dem kaum jemand widerstehen konnte. Schon zu Beginn seiner großen Kampagne in den Jahren 1844 bis 1847, nach der Inaugurationsmesse zu Maria Lichtmess 1844, nachdem Pfarrer Brzozowski die Predigt gehalten hatte, wollten 1161 Männer und 1042 Frauen der Abstinenzgesellschaft beitreten. Nach sechs weiteren Wochen hatte die Gesellschaft bereits über 30.000 Mitglieder und nach zwei Jahren über 200.000. Die nach Deutsch Piekar kommenden Wallfahrer trugen die Idee in ihre Heimatgemeinden, so dass die große Abstinenzaktion nicht nur ganz Schlesien erreichte, sondern auch Kleinpolen, Galizien, Wartheland, Böhmen, Mähren, Slowakei und Ungarn. Zusammen mit seinen priesterlichen Mitstreitern (u. a. Pf. K.J. Equard aus Scholkowitz, Pf. Stefan Brzozowski, u. a.) fuhr er als Gastprediger zu Exerzitien quer durchs Land. Er sprach zu hunderttausenden von Gläubigen. Da die Abstinenzbewegung mit der Stärkung des katholischen Glaubens und einer durch Erfolge der Bewegung beflügelten Missionstätigkeit einherging, erwarb er sich den Beinamen „Apostel Schlesiens“ (poln. „Apostoł Śląska“). Die große Nüchternheitskampagne kam erst ins Stocken, als 1847 eine Choleraepidemie ausbrach und hochprozentiger Alkohol als wirksames Gegenmittel angepriesen wurde. Damit war zwar die Kampagne beendet, aber die Mäßigkeitsbewegung existierte fort und in abgewandelter Form sogar bis heute.