Walter Zirpins (* 26. Mai 1901 in Königshütte, Oberschlesien; † 17. Februar 1976 in Hannover) war ein deutscher Jurist und Polizeibeamter. Er wurde vor allem bekannt aufgrund seiner Ermittlungen im Rahmen des Reichstagsbrandes von 1933.

Nach dem Schulbesuch studierte Zirpins Rechtswissenschaften. Er wurde an der Universität Breslau mit der 1927 erschienenen Dissertation Die Begriffsgrenze zwischen Besitzdiener und Besitzmittler: (§§ 855 u. 868 BGB) zum Dr. jur. promoviert.[1][2] Anschließend trat er in den Polizeidienst ein. Von 1929 bis 1932 war Zirpins erstmals politisch-polizeilich bei der Grenzpolizei Elbing-Marienburg tätig.

Im Januar 1933 wurde Zirpins in die Abteilung I A (Politische Polizei) beim Polizeipräsidium Berlin versetzt. In dieser Eigenschaft war er einen Monat später maßgeblich in die Ermittlungen anlässlich des Reichstagsbrands in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 involviert: Als Mitglied der provisorischen Brandkommission vernahm er als einer der ersten den Tatverdächtigten Marinus van der Lubbe und begleitete diesen am Tag nach dem Brand bei einer Tatortbegehung, bei der van der Lubbe die Durchführung des Brandes vorführen sollte. Bei seinen Vernehmungen des Verdächtigen fälschte Zirpins nach aktuellem Forschungsstand „dessen Aussage […] bewusst, um die These von der Alleintäterschaft (van der Lubbes) zu erhärten.“[3] Außerdem trat Zirpins einige Monate später als Sachverständiger im sogenannten Reichstagsbrandprozess auf.

Ende März oder Anfang April 1933 wurde Zirpins in die neugegründete Geheime Staatspolizei (Gestapo) übernommen, aus der er aber bereits am 23. Mai 1933 auf Veranlassung von Rudolf Diels wieder ausschied. Hintergrund war offenbar eine Eingabe von unbekannter Seite, wonach ihm Anfang Mai beim Chef der Polizeiabteilung im Preußischen Innenministerium Kurt Daluege die Beschäftigung eines jüdischen Spitzels vorgeworfen worden war.[4]

Stattdessen wechselte Zirpins im Mai als Lehrer an das Polizeiinstitut in Berlin-Charlottenburg. Dort wurde er am 1. Dezember 1934 zum Kriminalrat befördert, bevor er am 1. April 1937 zum Stabsführer der Führerschule der Sicherheitspolizei ernannt wurde. Zu dieser Zeit begann er auch durch Aufsätze über die nationalsozialistische Rechtsauffassung öffentlich hervorzutreten.[5][1]

1937 publizierte Zirpins die These, nicht in erster Linie die individuellen Rechte von Menschen seien von der Exekutive zu schützen. Vielmehr müsse sie das Wohl der „Volksgemeinschaft“ fördern, deshalb berechtige „jede Schlechterfüllung der Pflichten gegenüber dem Volk“ die Polizei „zum Einschreiten […] ohne Rücksicht auf ihre strafrechtliche Verfolgbarkeit“.[6]

Der SS trat er im Mai 1937 bei (SS-Nr. 342.009). 1942 erreichte er in dieser den Rang eines SS-Sturmbannführers. Im Dezember 1938 wechselte Zirpins in das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) nach Berlin.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Zirpins im besetzten Łódź (Litzmannstadt) eingesetzt. Dort leitete er von Mai 1940 bis zum Februar 1941 die Kriminalpolizei im Ghetto Litzmannstadt. Seine dortige Tätigkeit betrachtete Zirpins als Pionierleistung, wie sein zweiteiliger Aufsatz „Das Ghetto in Litzmannstadt, kriminalpolizeilich gesehen“ zeigt, der im Oktober und September 1941 in der Zeitschrift Kriminalistik erschien.[7] Dort führte er aus:

Eine solche Zusammenpferchung von Kriminellen, Schiebern, Wucherern und Betrügern [hat] auch sofort ihre besonderen kriminalpolizeilich bedeutsamen Erscheinungsformen gezeitigt. Da aber die Schaffung eines so großen und vor allem festgeschlossenen Gettos bisher einmalig ist, fehlt es an kriminalistischen einschlägigen Erfahrungen und an jeglichem Vorbild. Es hat daher eines umfangreichen Studiums der jüdischen Mentalität und Gepflogenheiten […] bedurft, um die Wege zur präventiven und repressiven Bekämpfung durch die Kriminalpolizei herauszufinden.[8]

Im Anschluss an seine Tätigkeit in Łódź war Zirpins von 1941 bis 1943 als Referatsleiter im Amt I B 3 („Lehrplangestaltung der Schulen“ bzw. „Ausbildung, Fortbildung und Sonderschulung“) im Reichssicherheitshauptamt tätig. Klee zufolge war er auch dort maßgeblich an der Judenverfolgung in den Ghettos von Łódź und Warschau beteiligt.[1] Daneben firmierte Zirpins seit seiner Beförderung zum Regierungs- und Kriminalrat im Jahr 1943 als „Lehrbeauftragter für Verbrechensbegehung und Verbrechensbekämpfung“ an der Deutschen Karls-Universität in Prag. Ferner war er Mitglied der von Reinhard Heydrich eingesetzten Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission.

Am 15. Januar 1945 wurde Zirpins noch zum Oberregierungs- und Kriminalrat ernannt und kurz danach, im März 1945, zum Leiter der Hamburger Kriminalpolizei bestellt.[1]

Bei Kriegsende geriet Zirpins in alliierte Gefangenschaft. Er wurde bis 1947 interniert und aufgrund seiner Tätigkeit im Ghetto von Lodz in die offizielle polnische Kriegsverbrecherliste aufgenommen.

1951 wurde Zirpins im Niedersächsischen Innenministerium in seinem alten Rang als Oberregierungs- und Kriminalrat als Referent für kriminalpolizeiliche Belange eingestellt. Zuvor hatte Bernhard Wehner in einem Spiegel-Artikel vom 14. März 1951 zur Personalpolitik des BKA Zirpins einen „SS-Hauptsturmführer honoris causa“ genannt und damit seine Tätigkeit als Leiter der Kripo in Łódź verharmlost, um seine Wiedereinstellung zu fordern.[9] Der auf die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus spezialisierte Historiker Patrick Wagner bezeichnet eine Aussage von Zirpins 1955, die Kripo habe von 1933 bis 1945 „stets […] Rechtsbewusstsein, Selbstverantwortung und Achtung vor der Menschenwürde“ zum Maßstab ihres Handelns gemacht, angesichts der Mitwirkung von Zirpins bei den Judenverfolgungen 1940/41 im Ghetto Litzmannstadt als „abgrundtief zynisch“.[10] Neben Wehner habe sich Zirpins als zweiter, die Involvierung der Polizei in die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosender „Vergangenheitspolitiker der Kripo“ profiliert.[11] 1956 wechselte er auf den Posten des „Leiters der Kriminalpolizei Hannover“[12] bei der Polizeidirektion Hannover, den er bis zu seiner Pensionierung 1961 innehatte.

Zirpins stand auf der Liste der Kriegsverbrecher der polnischen Regierung.[13] Nach einer vom NDR am 30. April 1960 unter dem Titel „Das Ghetto von Lodz 1940-1944“ ausgestrahlten Rundfunksendung, in der Zirpins als früherer Leiter der Kriminalpolizeistelle Lodz erwähnt worden war, gingen im Mai 1960 bei der Staatsanwaltschaft Hannover Anzeigen wegen „Anstiftung zum Mord“ und „Beteiligung an der Tötung von Juden im Ghetto von Lodz“ ein.[14] Da Zirpins aber schon im Februar 1941 als Chef der Kripo Lodz abberufen und zum Reichssicherheitshauptamt versetzt worden war, und die systematische Vernichtung der Juden im Ghetto Lodz erst im Januar 1942 begonnen hatte, war der Nachweis einer Beteiligung am Judenmord nicht möglich und „sein mögliches Wissen um die bevorstehende Massenmorde […] ein bereits verjährtes Vergehen“, so dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren im März 1961 eingestellt wurde.[15]

1961 wurde Zirpins pensioniert und verfasste anschließend zusammen mit Otto Terstegen ein Standardwerk zur Wirtschaftskriminalität, das 1963 erschien. Er war bis zu seinem Tod 1976 als „Nestor der Wirtschaftskriminologie in der Bundesrepublik hoch angesehen“.[16]

Jüngeren Forschungen zufolge war Zirpins Teil eines Netzwerks ehemaliger NS-belasteter Kriminalisten, dem es gelang, „nicht nur die Personalpolitik und die kriminalpolitischen Diskurse der westdeutschen Kripo, sondern auch die Bedeutung kriminalpolizeilicher Tätigkeit im NS-Staat zu bestimmen“.[17] Noch 1986 übernahm ein Polizeilehrbuch Zirpins’ Begründung für die hohe Kriminalität nach Kriegsende: Diese habe ihre Ursache in der „Freilassung des größten Teils der strafgefangenen und sicherungsverwahrten Berufsverbrecher, Asozialen und kriminellen Landfahrer“ gehabt.[18]

Zirpins sagte zum Komplex des Reichstagsbrandes sowohl 1933 im Reichstagsbrandprozess als auch 1961 vor dem Amtsgericht Hannover aus.[19] Zudem war er der wichtigste Zeuge von Fritz Tobias in der Kontroverse um die These von Marinus van der Lubbes Alleinschuld am Reichstagsbrand.