schl22

Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

         Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

  Pers. alphabetisch                                         A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Y Z
      
   
                  Nobelpreisträger Physiker 
                  Architekten, Ingenieure  Photografen, Optiker
                  Ärzte, Mediziner  Politiker
                  Chemiker Sänger
                  Dichter Schauspieler, Kabarettisten
                  Journalisten, Moderatoren Schriftsteller 
                  Historiker, Philosophen Sportler
                  Komponisten, Musiker, Dirigenten  Theaterkritiker
                  Maler, Grafiker  Theologen, Geistliche
                  Mathematiker  Industrielle, Unternehmer 
                  Militärs Widerstandskämpfer 
                  Monarchen, Fürsten   Wissenschaftler,Forscher,Botaniker
                   
       

                                                                   zum  Buchstaben K      zu   Schriftsteller.   
                                                                         

Kurpion Robert    

                         * 13.4.1869 in Gandrinnen (Kr. Insterburg)

                             † 26.8.1943 in Jannowitz (Niederschlesien)


Pädagoge, Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker.

   
 

Robert Kurpiun wurde auf einem Bauernhof im Kreise Insterburg geboren; mächtige Linden überschatteten das Haus, erinnert er sich. Der Name Kurpiun läßt auf altpreußische (pruzzische) Ahnen schließen; die beiden Großmütter Roberts waren Salzburger Abstammung.

 Roberts Vater, gleichfalls ein Bauernsohn, ging als Lehrling in ein Eisenwarengeschäft der Kreisstadt, wurde Kaufmann, diente ab 1850 bei den 3. Grenadieren in Königsberg/Pr. und entschloß sich, aktiver Soldat zu werden. Durch zahlreiche Kommandierungen lernte er ferne Garnisonen kennen, so unter anderem Luxemburg. Den Höhepunkt bildeten zwei Jahre beim Lehrbataillon in Potsdam. Nach zehn Jahren nahm er den Abschied und wurde Bauer in Gandrinnen. Die „Kunst zu fabulieren" stamme vom Vater, schreibt Robert, von der Mutter die Liebe zu allem Schönen.

 Robert Kurpiun, der älteste unter zahlreichen Geschwistern, sollte nach dem Wunsch des Vaters studieren. So kam er in eine Schülerpension nach Insterburg, das seit 1593 über eine Lateinschule verfügte, die zwar 1819 zur Bürgerschule herabgestuft, jedoch 1860 zur Gymnasialanstalt erhoben worden war. Der Besuch der „Penne" fand jedoch aus wirtschaftlichen Gründen bald ein Ende; Robert mußte nach Hause zurück. Der Pfarrer und ein Lehrer am Ort nahmen sich seiner so erfolgreich an, daß er in ein Lehrerseminar aufgenommen werden konnte; nach bestandenem Examen erhielt er 1889 eine Anstellung an einer Volksschule in Masuren.

Kurpiun verließ bereits 1893 das Land der Wälder und der tausend Seen, ging in das von Industrie und Gruben geprägte Oberschlesien, wurde Lehrer an der Fachschule der Bergbaugesellschaft in Beuthen, wechselte 1901 an die Oberschlesische Bergschule in Tarnowitz, an der er dreiundzwanzig Jahre lang erfolgreich als Pädagoge tätig sein sollte. Er habe Hunderte oberschlesischer Bergknappen nicht nur beruflich ausgebildet, sondern sie auch zur Liebe von Volk und Heimat erzogen. Als Tarnowitz 1921 mit Ost-Oberschlesien an Polen abgetreten und die Schule 1924 aufgegeben werden mußten, ging Kurpiun in das nicht weit entfernte, bei Deutschland verbliebene Peiskretscham (Krs. Gleiwitz) und baute dort eine Bergmännische Berufsschule auf. Schuldirektor i. R. Kurpiun fand seinen Alterssitz 1934 im Hause Abendsonne in Jannowitz am Fuße des Riesengebirges.

Im Alter von vierzig Jahren - und nach sechzehn Jahren der Arbeit in Oberschlesien - veröffentlichte Kurpiun seinen ersten Roman: Der Mutter Blut (1909; 17.A.1931), der ihn sofort zum oberschlesischen Heimatdichter machte; in der Kritik wurde er sogar der „Rosegger Oberschlesiens" genannt. Er schildert Menschen des Landes bei der Arbeit, in Not und Gefahr unter Tag; die kleinen Freuden des Alltags fehlen nicht. Soziale und volkstumsmäßige Probleme treten auf. Der Schichtmeister in einer Grube mit deutschem Vater und deutscher Frau hat eine polnische Mutter, wird zum Kämpfer für das Polentum und scheitert. Naturgegebene Bindungen wirken sich tragisch auf das Schicksal von Menschen aus. Der zweite Roman Das schwarze Weib (1915; 5.A.1920) schildert den Lebensweg eines Menschen, der aus ärmsten Verhältnissen zu einem oberschlesischen Magnaten aufsteigt; ein Stück wirklicher wirtschaftlicher Entwicklungsgeschichte Oberschlesiens, auch das Leben einer gewissen Persönlichkeit, liegen dem Roman zugrunde. Mit dem dritten und letzten Roman, Das Flammenhaus (1924), kehrt Kurpiun in die ostpreußische Heimat, nach Masuren, zurück. Wälder und spiegelnde Seen, heimischer Ostseestrand, ein Kirchdorf, ein Kirchturm in weißem Ordensmantel, Salzburger Vorfahren, hugenottische Herkunft, breites Platt aus dem Insterburgischen bilden den heimatlichen Rahmen. Es geht um zwei Menschen, die sich aus einer tragischen Schicksalsverflechtung zu befreien suchen. Die alte Heimat war auch Thema seiner Erzählung Zwischen Nacht und Morgen, Wanderungen im deutschen Nordosten 1914 -1934.

Nach Masuren zurückgekehrt war Kurpiun zu der Volksabstimmung am 11. Juli 1920 im Süden Ostpreußens, die mit 97,5 Prozent der Stimmen für Deutschland ausging. Kurpiun hat darüber später berichtet (Die Kreuzfahrer. Aus Oberschlesien zur Abstimmung in Masuren. In: Masur. Volkskal. 1933. S. 59-69). Am 20. März 1921 erlebte Kurpiun dann die Volksabstimmung in Oberschlesien, bei der sich 60 Prozent der Bevölkerung für Deutschland entschieden. In Tarnowitz, seinem Wohnort, stimmten 7558 für Deutschland, 1352 für Polen. Der Völkerbundsrat in Genf beschloß am 19. Oktober 1921 die Teilung Oberschlesiens, Tarnowitz, in dem über 80 Prozent für das Reich gestimmt hatten, mußte an Polen abgetreten werden. Für Kurpiun war der 26. Oktober 1921, an dem der Reichstag unter Protest das Genfer Diktat annahm, „ein schwarzer Tag in der deutschen Geschichte". Er veröffentlichte darauf im folgenden Jahre: Entrissenes Land. Bilder aus Oberschlesien. Mit 76 Textbildern, einer farbigen Kunstbeilage und einer Übersichtskarte (Gleiwitz: Heimatverl. Oberschlesien G.m.b.H. 1922) und stellte den Ausführungen das Gedicht An unsere Brüder voran, das er zur letzten deutschen Weihnacht 1921 in der Freien Bergstadt Tarnowitz geschrieben hatte, in dem es heißt: „Laßt uns nicht fallen und sinken, / Ihr Brüder in Nord und West! / Wir standen in schlimmen Tagen / Zu euch, in Treue fest."

Außerdem schilderte Kurpiun in dem Büchlein Was muß jedermann über Oberschlesien wissen? in allgemeinverständlicher Weise Geschichte, Geographie, Bevölkerung, Kultur und Wissenschaft des durch den Völkerbundsbeschluß zerrissenen Landes. Später hat er ähnliche Themen in Erzählungen oder Novellen behandelt: Berthold Ringmanns Heimkehr (1927); Das Schaffott. Ostdeutsche Schicksalstage (1932) und Am Abgrund, das Jahr 1919 in einer oberschlesischen Grenzstadt (1942).

In seinem ersten Novellenband Bunt Volk (1911) hatte Kurpiun eine gemischte Gesellschaft von ernst und heiteren, einfältigen und geriebenen, bekümmerten und sorglosen Leuten gezeigt. Es folgte Ultimo und andere Novellen. Das Buch der Treue (1920). Seinen Schülern widmete Kurpiun Feierschicht, ein Buch für junge Berg-und Hüttenleute (19.11; 3.A.1927). Zudem war er Herausgeber von Tiefengeleucht (1939), Erzählungen aus dem Bergmannsleben. Kurpiun hat sich auch als Dramatiker ausgewiesen. Die Schwarzweißen, Schauspiel in fünf Aufzügen (1913), wurde vor der Aufführung verboten und kam erst nach dem Weltkriege heraus; Dorfbewohner verlangen bei der Regierung anstelle des polnischen deutschen Religionsunterricht. In diesen Streit werden zwei Regierungsbeamte verwickelt, es gibt einen tragischen Ausgang. Kurpiun schrieb auch ein Lustspiel in drei Aufzügen: Einbruch m.b.H. (1921), das mit Erfolg aufgeführt wurde. Im Zeitalter des sich entwickelnden Hörfunks fertigte er auch ein Hörspiel: Ich bin Du (Gleiwitz O/S; 1936). Kurpiun war Mitglied im Reichsbund Deutscher Schriftsteller, im Verband Deutscher Bühnenschriftsteller sowie in der Gesellschaft für Senderechte.

Der Ostpreuße Kurpiun hat Oberschlesien als seine zweite Heimat betrachtet, sich diesem Land und seinen Menschen gegenüber verpflichtet gefühlt, insbesondere nach den gegen das Recht auf Selbstbestimmung in Versailles und Genf gefällten Entscheidungen. In seinen Werken behandelte er soziale Probleme und solche des Volkstums, schuf lebensvolle Charakterbilder, vertiefte seelische Leiden und dramatisierte nationale Spannungen bzw. solche des Volkstums. Nach Arno Lubos hat Kurpiun als Mittler gedient zwischen der um die Jahrhundertwende sich herausbildenden Literatur Oberschlesiens und der nach dem Weltkrieg aufbrechenden jungen literarischen Bewegung; er habe ein Leitbild sein können für viele, die auf eine literarische Sichtbarmachung Oberschlesiens hofften. Der Ostpreuße Kurpiun ist als „der große Dichter" Oberschlesiens gefeiert worden; Lubos schreibt, auch wenn man bedachtsamer urteile, so sei doch „die große geschichtliche Wirkung seiner Romane, ihr Einfluß auf das politische, kulturelle Leben und besonders auf die oberschlesischen Autoren nicht hoch genug einzuschätzen« (Bd II, S. 168).

Quellen: Kürschners Dt. Litr. Kalender 1922-1943 (Sehr.-Hinw.). - Der Gr. Brockhaus, 15. Aufl., Bd 10. Leipzig 1931, S. 763. - Nadler, Josef: Literaturgeschichte d. Dt. Volkes. Bd 4. Berlin: Propyläen Verl. (1941) S. 355. - Hayduk, Alfons: Robert Kurpiun. Ein schlesischer Dichter aus Ostpreußen. In: Ostpreußenwarte 10. 1959. Nr. 7, S. 10. - Lubos, Arno: Die schlesische Dichtung im 20. Jahrhundert. München: Bergstadtverl. W.O. Korn (1961), S. 68f. (Schr.-Hinw.). - Ders.: Geschichte d. Literatur Schlesiens. II. Bd., ebd. (1967), S. 168 -72. - Wermke, 1964 u. 1974. - Hubatsch, Walther: Kurpiun, Robert, in: Altpr. Biographie. Bd. III. Marburg/L.: N. G. Elwert Verl. 1975, S. 987 (Sehr.- u. Litr.-Hinw.). - Breyer, Richard (Hrsg.): Deutschland und das Recht auf Selbstbestimmung nach dem Ersten Weltkrieg. Probleme der Volksabstimmungen im Osten (1918 -1922). Kulturstiftung d. Dt. Vertriebenen, Meckenheim: Warlich Druck 1985.

Gerd Brausch

 

Quelle; " Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen"