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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

      Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

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Scherschnik, Leopold Johann
* 03.03. 1747 in Teschen,

21.01.1814 in Teschen. 

Historiker, Pädagoge.

   
 

Scherschnik, Leopold Johann, * 03.03. 1747 in Teschen/Sudetenland , 21.01.1814 in Teschen,  Historiker,Pädagoge

Das Herzogtum Teschen lag geographisch stets an der Peripherie Schlesiens. Nach den preußischen Eroberungskriegen Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es sogar vom schlesischen Kernland abgeschnitten und bildete von nun an mit Troppau und Jägerndorf ein verstümmeltes, durch den mährischen Keil getrenntes österreichisches Kronland Schlesien. Trotz historischer Besonderheiten ist das Herzogtum Teschen jedoch als Teil Oberschlesiens zu betrachten. In der Kulturgeschichte Oberschlesiens spielte es bereits vom Mittelalter an eine herausragende Rolle, und Teschen selbst gehört zu den mit Abstand ältesten oberschlesischen Städtegründungen. So ist es auch eher eine Selbstverständlichkeit, daß der Teschener Raum eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten hervorbrachte, deren Ausstrahlung weit über die Grenzen Schlesiens reicht, denkt man z.B. an den hl. Johannes Sarkander aus Skotschau (1576  – 1620) oder in unserem Jahrhundert an den renommierten Staatsrechtler Hermann Heller (1891 – 1933) und nicht zuletzt an den Jesuitenpater, Historiker und Pädagogen Leopold Johann Scherschnik.

Scherschnik entstammte einer alteingesessenen Skotschauer Familie. Sein Vater, Johann Anton, siedelte von Skotschau nach Teschen über und war seit 1745 in der Hauptstadt des Herzogtums als hoher Beamter tätig. Scherschniks Mutter, Johanna Aloisia geb. Polzer, stammte aus einer wissenschaftlich und künstlerisch hochgebildeten sowie kommunalpolitisch verdienten Familie. Der Vater erteilte dem jungen Leopold Johann den ersten Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen, um ihn dann auf das Teschener Jesuitengymnasium zu schicken. 1762 folgte ein Studium der Philosophie und Theologie an der Jesuitenuniversität in Olmütz. Nach zweijähriger Studienzeit schloß Scherschnik mit großem Erfolg als ”Primus magister philosophiae” ab und trat dem Jesuitenorden bei. Die weiteren Stationen seiner Laufbahn als angehender Geistlicher und Lehrer waren zwei Jahre Noviziat in Brünn und anschließend ein ebenfalls zweijähriges Studium am Jesuitenkolleg Březnitz in Böhmen. Im Jahre 1768 wechselte Scherschnik an das Höhere Jesuitenkolleg in Prag, um dort Griechisch und Geschichte zu studieren. Seine erste Lehrerstelle am Jesuitenkolleg in Eger trat Scherschnik im Jahre 1770 an. Gleichzeitig begann er mit seinen Geschichtsforschungen. Nach zwei Jahren kehrte er aber nach Prag zurück und setzte sein Theologiestudium fort. Intensiv beschäftigte er sich auch mit Latein, Griechisch, Hebräisch und Geschichte.

Bereits während seiner Prager Studienzeit nahm Scherschnik an einem Wettbewerb der Leipziger Gesellschaft ”Societas Jablonovianae” über die Geschichte der Slawen teil. Für seine in lateinischer Sprache abgefaßte Arbeit über die Geschichte der südslawischen Völker (erschienen 1772 in denActa Societas Jablonovianae) erhielt er eine Goldmedaille und einen Geldpreis.

Ein tiefer Einschnitt in Scherschniks Leben war die Auflösung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1773. Zwar gelang es ihm, noch ein Jahr später das Theologiestudium zu absolvieren und die Priesterweihe zu empfangen, er mußte danach aber Prag verlassen und hielt sich einige Monate in Königgrätz auf. Schließlich folgte Scherschnik dem Wunsch seines Vaters, der sich für ihn um eine Lehrerstelle in Teschen bemühte, und kehrte im Jahre 1775 in seine Heimatstadt zurück.

Ende 1776 wurde Scherschnik Professor für Rhetorik und Poesie am Teschener Gymnasium, einer von ehemaligen Jesuiten geprägten Bildungsanstalt. Neben der reinen Lehrtätigkeit widmete sich Scherschnik auch erzieherischen Aufgaben. Er war zuerst Vorsteher des Gräflich-Tenczin’schen Konvikts, danach Präfekt des Gymnasiums und zuletzt Vorsteher des Konvikts des Freiherrn von Cselesta. Im Geiste der Aufklärung lehnte Scherschnik entschieden mechanisches Auswendiglernen abstrakter Lehrstoffe ab und plädierte für einen praxisorientierten Unterricht sowie einen höheren Stellenwert neuer Sprachen, naturwissenschaftlicher und technischer Fächer. Sein Interesse galt auch den beiden slawischen Sprachen, die im Herzogtum Teschen gesprochen wurden und die Scherschnik selbst neben Deutsch und Latein beherrschte. Ohne Erfolg blieben seine Bemühungen, Unterrichtsbücher in polnisch-schlesischer Mundart zu verfassen. Noch viel weniger konnte er sich bei den österreichischen Behörden mit seinem Streben nach einer tiefgreifenden Schulreform durchsetzen, obwohl er selbst hohes Ansehen genoß und in späteren Jahren sogar die Funktionen des Oberaufsehers aller katholischen Schulen im Herzogtum Teschen und des Schulreferenten beim Teschener Generalvikariat innehatte. Bereits nach fünfjähriger pädagogischer Tätigkeit in Teschen trat Scherschnik als Autor und Herausgeber von Schulbüchern hervor. Zwischen 1781 und 1814 erschienen fünf Unterrichtswerke aus seiner Feder (für Mathematik, Latein und Stilistik).

Scherschnik identifizierte sich stets mit seiner Teschener Heimat und besaß ein stark ausgeprägtes Regionalbewußtsein, das bei ihm keinesfalls im Widerspruch zur Loyalität gegenüber der Habsburgermonarchie stand. Deshalb setzte er sich nach Kräften neben seiner Lehrtätigkeit für städtische Belange ein. So engagierte er sich für die Renovierung und Erweiterung der Gymnasialkirche Hl. Kreuz. Nach seinen Plänen und mit seiner finanziellen Unterstützung entstand der Neubau des Gymnasiums. Nach dem Großbrand der Stadt im Jahre 1789 sorgte Scherschnik als städtischer Bauinspektor für den schnellen Wiederaufbau, den Bau einer neuen Wasserleitung und einiger öffentlicher Gebäude. Eine Zeitlang bekleidete er auch das Amt des städtischen Schatzmeisters.

Trotz mehrerer zeitaufwendiger Verpflichtungen im schulischen und kommunalen Bereich ging Scherschnik weiterhin seinem Interesse für historische Forschungen nach, beschränkte sie jedoch nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt auf die Geschichte des Herzogtums Teschen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt dem Sammeln und Erfassen von Quellen zur Teschener Heimatgeschichte. Zum 1000jährigen Jubiläum der Stadt Teschen im Jahre 1810 brachte Scherschnik sein wichtigstes historisches Werk heraus,Nachrichten von Schriftstellern und Künstlern aus dem Teschener Fürstenthum (Teschen 1810), seit fast zwei Jahrhunderten ein Standardwerk für die Erforschung der Teschener Regionalgeschichte. Das Buch enthält insgesamt 108 Biographien verdienter Vertreter von Literatur, Kunst und Wissenschaft. Es ist das erste biographische Lexikon aus dem Teschener Raum, das bis heute an seiner Bedeutung für die Geschichtsforschung nichts eingebüßt hat. Neben diesem Hauptwerk hinterließ Scherschnik eine Vielzahl wissenschaftlicher Aufsätze. Er hatte als Historiker ehrgeizige Pläne, die dem Vorwort zu seinen Nachrichten zu entnehmen sind. So strebte er die Herausgabe einer Reihe von Quelleneditionen unter der ÜberschriftScriptoribus historicis Teschinensibus an und wollte eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Herzogtums Teschen schreiben. Von beiden Vorhaben blieben leider nur handschriftliche Notizen übrig. Bereits im Jahre 1800 erschien in Wien Scherschniks dichterisches Werk mit dem Titel Epigramma in Turrim curiae Teschinensis cui 1. Septembr. 1800 imposita est solemniter corona.

Zu einem bleibenden Erbe Scherschniks wurde seine Bücher- und Museumssammlung. Bereits in Prag verfügte er über eine wertvolle Privatbibliothek mit einigen Handschriften. Nach der Auflösung des Jesuitenordens erwarb er mehrere Bände aus den Beständen der Jesuitenbüchereien. In Teschen gelang es ihm zwar nicht, eine Gymnasialbibliothek zu errichten; im mühsamen Alleingang baute er aber eine ansehnliche öffentliche Bücherei auf, die er 1802 in dem von ihm speziell für diese Zwecke erworbenen und renovierten Gebäude des alten Gymnasiums unterbringen konnte. Von nun an waren die Bestände allen Interessierten zugänglich. Die bis heute bestehende Scherschnik-Sammlung umfaßt nicht nur Bücher, sondern auch zahlreiche Museumsexponate, wie etwa Mineralien, Fossilien, diverses Anschauungsmaterial für den Unterricht (wie etwa getrocknete Pflanzen, ausgestopfte Vögel, Amphibien und Fische, Muscheln, Insekten), Kunstwerke, Waffen, Medaillen und Münzen, Modelle von Geräten, Maschinen und Bauten. Allein die Mineraliensammlung umfaßte zu Scherschniks Zeiten mehr als 4.000 Exponate. Bereits im Jahre 1807 zählte die Scherschnik-Bibliothek etwa 12.000 Bücher, die nach Sachgebieten gegliedert und in einem Handkatalog erfaßt waren. Die Systematik wurde bis heute beibehalten. Besonders wertvoll für die Geschichtsforschung sind die zahlreichen Handschriften und älteren Drucke, von denen 36 aus der Zeit vor 1500 stammen. Den Schwerpunkt der Bibliothek bilden verständlicherweise Bücher aus Scherschniks Lebzeiten. Die meisten Werke sind in Deutsch und Latein geschrieben; daneben aber finden sich auch Bücher in französischer, tschechischer und polnischer Sprache.

Im Klostergarten der Franziskaner baute Scherschnik ein öffentliches Freilichtmuseum auf, in dem unter anderem Grabsteine und Gedenktafeln vom früheren Friedhof der Dreifaltigkeitskirche ausgestellt wurden.

In seinem Testament verfügte Scherschnik die Gründung eines Stiftungsfonds für die Erhaltung seiner Bibliotheks- und Museumssammlungen, die als Ganzes der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten. Für diesen Zweck stellte er 12.000 Gulden zur Verfügung. Seine letzte Ruhestätte fand er an der Dreifaltigkeitskirche. Die Museumsexponate aus seinen wertvollen Sammlungen sind heutzutage im Teschener Museum und die Bücherbestände samt Handschriften in der vor kurzem neugegründeten Landesbibliothek (Książnica Cieszyńska) untergebracht.

Lit.: J.J.H. Czikann, Leopold Johann Scherschnik’s Ehrengedächtnis, Brünn 1815. – A. Heinrich, Leopold Johann Scherschnik, in: Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst 2/21, Wien 1830, Nr. 58 und 59, S. 453-455 und 465-468. – V. Karger, Unbekannte Scherschnik-Erinnerungen, in: Zeitschrift für Geschichte und Kulturgeschichte Schlesiens 16, Troppau 1921, S. 126-133. – J. Król, Szersznik, in: Śląski słownik biograficzny 3, Katowice 1981, S. 323-326. – M. Kudelka, L.J. Šeršnik (1747-1814), život a dilo, Ostrava 1957. – J. Spyra, Leopold Johann Scherschnik, in: Oberschlesisches Jahrbuch 7, Berlin 1991, S. 91-110. – J. Wytrzens, Życiorys proboszcza L. Jana Szersznika, in: Zaranie Śląskie 6, Cieszyn 1930, S. 131-138 und 186-194.

Bild: Leopold Johann Scherschnik, Ölgemälde von Franz Kaspar Fahrenschön (1774), Museum in Teschen (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Museumsleitung).

 

  Peter Chmiel

   
 

Quelle; " Kulturportal West-Ost,2015"