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Dan Gawrecki
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23. Dezember
1943 in
Frýdek.
Historiker. |
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Dan Gawrecki
(*
23. Dezember
1943 in
Frýdek) ist ein
tschechischer
Historiker, dessen
Schwerpunkt die tschechische
Geschichte vom 18. bis 20.
Jahrhundert in der Region
Schlesien ist.
Nach
dem Besuch des Gymnasiums in
Ostrava, studierte er ab
1960 in
Olomouc. 1969
promovierte und 1997
habilitierte er. |
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Sie haben
es von Radio Prag bereits
erfahren: In der Nacht auf
Samstag, den 26. März 2011, war
das Stichdatum für die
Volkszählung in Tschechien. Eine
der Angaben, nach der
traditionsgemäß gefragt wird,
betrifft die Nationalität. Vor
20 Jahren kam es bei der ersten
Volkszählung nach der Wende 1989
dabei zu einer großen
Überraschung: Rund 1,3 Millionen
Menschen bezeichneten sich als
der „mährischen“ Nationalität
angehörig und etwa 44.000 der
„schlesischen“ Nationalität.
Doch weder die eine noch die
andere hat es in der Geschichte
des Landes offiziell gegeben.
Für Jitka Mládková trotzdem ein
Anlass, in einem Zweiteiler nach
den Wurzeln der „schlesischen“
Identität zu suchen, gemeinsam
mit Dan Gawrecki, Professor für
Geschichte an der Schlesischen
Universität in Opava / Troppau.
Nach dem Ersten Weltkrieg
wurde 1918 ein Teil des
historischen Schlesiens der
neu entstandenen
Tschechoslowakei
zugesprochen. Der Landstrich
galt bis 1928 offiziell als
Land Schlesien mit dem
Landessitz in der Stadt
Opava / Troppau. In den
danach folgenden 20 Jahren
wurde das Gebiet in das neue
Mährisch-schlesische Land
mit dem Verwaltungszentrum
Brno / Brünn integriert.
Danach verschwanden aber der
Name Schlesien sowie das
Adjektiv „schlesisch“ für
rund 60 Jahre aus dem
Wortschatz der offiziellen
Staatsverwaltung. Das
„tschechische Schlesien“
wurde durch wiederholte
Verwaltungsreformen auf
mehrere Regionen aufgeteilt.
Das historische Gebiet,
früher
Österreichisch-Schlesien
genannt, löste sich wie ein
Zuckerwürfel auf. Erst seit
dem Jahr 2000 gibt es den
heutigen
Mährisch-schlesischen Kreis.
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Schlesischer
Adler |
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Das Gebiet Schlesiens kann
auf eine sehr lange
Geschichte zurückblicken.
Eine Zeitlang gehörte es
auch zu den Böhmischen
Ländern. Im Lauf der Zeit
lebten verschiedene
Volksgruppen mit eigenen
Sprachen auf schlesischem
Gebiet. Doch die Entwicklung
habe sich nicht sehr viel
anders vollzogen als die der
anderen Grenzregionen des
heutigen Tschechiens wie zum
Beispiel jene in Nord- oder
Westböhmen, befindet
Professor Dan Gawrecki von
der Universität Opava:
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Dan
Gawrecki (Foto:JaskółkaŚląska)
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Es geht um Regionen, die ursprünglich tschechischsprachig
beziehungsweise slawischsprachig waren. Später aber, etwa im 11.
und 12. Jahrhundert, kamen deutsche Kolonisten, und die dortige
Bevölkerung vermischte sich. Der deutschsprachige
Bevölkerungsteil setzte sich nach und nach immer mehr durch.
Durch den Dreißigjährigen Krieg verloren Böhmen und Mähren, die
damals schon der Habsburger Monarchie angehörten, fast die
Hälfte der Bevölkerung. Viele entvölkerte Dörfer in den
Grenzgebieten wurden danach überwiegend von der
deutschsprachigen Bevölkerung neu besiedelt. In dieser Hinsicht
sehe ich also keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen
Grenzregionen unseres Staates. Bestimmte Besonderheiten sind
allerdings in der Eingliederung in die bestehende Struktur der
Landesverwaltung und des Gerichtswesens zu erkennen.“
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Schlesien
des heutigenTschechiens |
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Diese Besonderheiten seien
ungefähr um die Mitte des
18. Jahrhunderts zum
Vorschein gekommen. Die
Situation sei damals aber
wenig übersichtlich gewesen,
ergänzt Gawrecki.
Bereits zuvor war Schlesien
häufig Streitobjekt zwischen
den Nachbarstaaten. Die
Teilungen Schlesiens waren
meist das Ergebnis heftiger,
auch kriegerischer
Auseinandersetzungen und
führten die Region mal unter
die Herrschaft Polens, mal
unter die Herrschaft
Böhmens. Im 18. Jahrhundert
kamen dann neue starke
Mächte hinzu. Zwischen 1740
bis 1763 brachen die drei
Schlesischen Kriege aus.
Danach musste Österreich den
größten Teil Schlesiens an
Preußen abtreten. Und das
weitere Schicksal von
Österreichisch-Schlesien,
also dem Rest? Es wurde
immer mehr und teilweise
unlogisch mit Mähren
verflochten:
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Schlacht
bei Fontenoy war eines der
wichtigen Momente der
Schlesischen Kriege |
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Während
der Schlesischen Kriege war Österreichisch-Schlesien
zunächst ein eigenständiges
Gebiet. 1783 wurde es Mähren
angegliedert. Danach begann
man wiederum damit, einige
mährische Enklaven in
schlesische Bezirke
einzufügen. Nach der
Revolution von 1848/49
galten diese Enklaven zwar
als Teile politischer
Bezirke Schlesiens, doch
administrativ gehörten sie
zu Mähren. Ihre Bevölkerung
konnte Abgeordnete zum
mährischen Landtag wählen,
Abgeordnete für den Wiener
Reichsrat hingegen wurden
von denselben Menschen im
Rahmen der schlesischen
Wahlbezirke gewählt. Im
Bereich des Schulwesens
lagen die Kompetenzen in
Brünn und nicht wie
anzunehmen wäre in Troppau,
der Landeshauptstadt von
Österreichisch-Schlesien.
Auch die Steuern flossen in
die mährische Landeskasse.
Diese Situation stieß bei
vielen Bewohnern Schlesiens
auf ziemlich viel Unmut und
Unverständnis.“
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Österreichisch-Schlesien
in 1880 |
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Auch nach Ende der
Schlesischen Kriege spielte
die Frage der Nationalität
keine besondere Rolle für
die dortige Bevölkerung. Im
Gegenteil: Professor
Gawrecki zufolge stand man
ihr gleichgültig gegenüber.
Jeder Untertan, so der
Historiker, habe seine
Zugehörigkeit vor allem mit
dem jeweiligen Landgut
seines Herrn verbunden.
Jeder Stadtbürger wiederum
mit seiner Stadt, so wie es
auch im Mittelalter der Fall
war. Eine Verbundenheit habe
man höchstens noch mit dem
obersten Landesherrn, dem
Kaiser, oder mit den
regionalen Würdenträgern der
Kirchendiözese empfunden.
Eine schlesische Identität
sei hingegen nicht bekannt
gewesen. Es dauerte noch
etwas, bis sich das änderte:
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Altehistorische schlesische Tracht
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„Dazu
kam es ungefähr erst um die
Wende des 18. zum 19.
Jahrhundert. Angehörige der
Mittelschicht begannen sich
damals zunehmend als
Schlesier zu empfinden, ohne
über vollständige politische
Rechte zu verfügen. Sie
hatten allerdings ein
politisches Motiv: Sie
wollten dem
Staatszentralismus die Stirn
bieten, der schon unter
Maria Theresia und ihrem
Sohn, Kaiser Josef II., aber
auch nachfolgend sehr stark
war. Diese Menschen wollten
ihre Landeszugehörigkeit
sichtbar machen. Damals
wurde zum Beispiel das
Schlesische Landesmuseum in
Troppau gegründet – übrigens
das älteste öffentliche
Museum auf dem Gebiet der
heutigen böhmischen Länder.
1804 wurde ein
Theatergebäude gebaut. Diese
Früchte des
Landespatriotismus im
flächenmäßig kleinen
Österreichisch-Schlesien
lassen sich voll und ganz
mit Mähren, Böhmen oder zum
Beispiel mit der Steiermark
oder anderen entsprechend
entwickelten Ländern der
damaligen Monarchie
vergleichen.“
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Schlesisches
Landesmuseum in Troppau |
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1880 war Troppau eine
blühende Stadt mit 20.000
Einwohnern und einer
ausgeprägten Infrastruktur.
Die Stadt hatte ein eigenes
Gemeindestatut, war Sitz der
Landesregierung und
Landesvertretung, des
Landesgerichts und vieler
kultureller und
gesellschaftlicher
Institutionen. Außerdem war
sie auch eine Garnisonstadt
für 1300 Soldaten. Trotzdem
behauptet Professor Dan
Gawrecki:
„Es hat sich auch damals
keine Gruppe von Schlesiern
im Sinne einer eigenen
Nationalität herausgebildet.
Auch wenn einige ältere
Autoren behaupteten, dass es
tausend Jahre lang ein
schlesisches Volk gegeben
hätte. Das war nur ein
Mythos. Seit der Revolution
1848 tauchte für die
Menschen eine Chance auf,
vollwertige Bürger zu
werden. Zu diesen sind sie
mit der Verfassung Anfang
der 1860er Jahre in gewissem
Sinne auch geworden. Doch
die Chance, Schlesier zu
werden, wenn auch ohne die
sprachliche Einheit, die
damals eh nicht möglich war,
verschwand. In Schlesien
begann man vielmehr damit,
sich als Tscheche, Pole oder
Deutscher zu fühlen, und nur
daneben auch als Schlesier.
Das Gefühl der nationalen
Zugehörigkeit überdeckte die
territoriale Verbundenheit.
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Troppau
am Endedes 19. Jahrhunderts
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Doch auf einem abgegrenzten
Gebiet Schlesiens sei um das
Jahr 1848 dennoch eine
Volksgruppe entstanden, die
sich im engeren Sinne als
schlesisch empfunden habe,
sagt Gawrecki: und zwar auf
dem Gebiet des Herzogtums
Teschen / Těšín.
„Ihre Verkehrssprache
war ein schlesischer Dialekt
und sie hatten keine Lust,
sich entweder als Tschechen
oder Polen zu bezeichnen. Es
waren Menschen, die sich
innerlich mit ihrer
territorialen Eingliederung
identifizierten und ebenso
mit der deutschen Kultur,
die für sie Vorrang hatte.
Dabei haben manche von ihnen
nie Deutsch sprechen
gelernt. Aber sie fühlten
sich als Schlesier. Seit
Beginn des 20. Jahrhunderts
hatten sie auch eine eigene
politische Partei, die
später vom Teschener
Bürgermeister Josef Koždoň
angeführt wurde. Diese
Menschen waren sehr
enttäuscht nach dem Ersten
Weltkrieg, als die Stadt
Teschen samt umliegender
Region zwischen der
Tschechoslowakei und Polen
aufgeteilt wurde.“
Etwas später wurde die Frage
der Nationalität gerade hier
im östlichen Teil Schlesiens
zum politischen Instrument.
Doch das gehört bereits in
ein weiteres Kapitel aus der
tschechischen Geschichte zum
Thema Schlesien und
„schlesische“ Nationalität,
das wir bald aufschlagen
wollen.
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Josef
Koždoň in 1925
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Quelle; " Wikipedia 2014 " |
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