Hermann Aubin (* 23. Dezember 1885 in Reichenberg, Österreich-Ungarn; † 11. März 1969 in Freiburg im Breisgau) war ein sudetendeutscher Historiker. Er war ein prominenter Vertreter der Ostforschung und galt nach dem Zweiten Weltkrieg als einer der prominentesten Historiker der Bundesrepublik.

Hermann Aubin war der Sohn eines wohlhabenden Tuch- und Teppichfabrikanten. Sein Vater Carl Alexander Aubin war 1878 aus Berlin ins nordböhmische Reichenberg gezogen und Nachfahre französischer Protestanten.[2] 1906 begann er an den Universitäten München und Bonn ein Studium der Geschichte, das er 1910 an der Universität Freiburg mit der Promotion bei Georg von Below beendete. 1912 heiratete er die Badenerin Vera Webner. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges trat er als Offiziersanwärter in die Österreichisch-Ungarische Armee ein und avancierte zum Hauptmann der Reserve und Batteriechef. Trotz seiner militärischen Aktivitäten habilitierte er sich 1916 an der Universität Bonn.

Ab 1920 war Aubin am Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn als Gründer und 1. Direktor damit beschäftigt, Volkstumsforschung in den westlich an Deutschland angrenzenden Gebieten zu treiben, mit dem Ziel, diese Regionen, einschließlich der niederländisch- oder flämisch-sprachigen, früher oder später in das Reich einzugliedern. Von 1925 bis 1929 war er Professor an der Universität Gießen und dann von 1929 bis 1945 (unterbrochen von einer Gastprofessur in Kairo 1930 bis 1933[4]) an der Universität Breslau. Nach dem Krieg war er von 1946 bis 1954 Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg.

Aubin beeinflusste wesentlich die Ostforschung in der Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus. Bereits in der Zwischenkriegszeit prägte er zusammen mit Adolf Helbok, Max Hildebert Boehm und anderen die Historiographie nach ethnozentrisch-nationalen, rassistischen und antisemitischen Paradigmen. 1930 forderten sie die Wende zur Volksgeschichte.

Während des Nationalsozialismus zählte Aubin neben Albert Brackmann zu einer Gruppe national orientierter Historiker, die die „vernunftrepublikanische“ Phalanx der Gruppe um Meinecke und Oncken nach und nach aus den wissenschaftlichen Institutionen und Zeitschriften verdrängte. An seiner Breslauer Fakultät etablierte Aubin eine Professur für Rassenforschung. Als einzigem nationalsozialistischen Verband trat er der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei.[5]

Aubin war Mitverfasser einer Denkschrift vom 11. Oktober 1939 der „Publikationsstelle Berlin-Dahlem“ im Geheimen Preußischen Staatsarchiv zur „Eindeutschung Posens und Westpreußens“ und zur sofortigen „Umsiedlung“ von zunächst 2,9 Millionen Polen und Juden.[6] Bemerkenswerterweise wurden seine konzeptionellen Überlegungen zur Entwicklung des östlichen deutschen „Kulturbodens“ noch 1942 in Großbritannien gedruckt. 1942 wurde er korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1944 korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Am 17. Februar 1945 wurde er aus dem von sowjetischen Truppen eingekesselten Breslau ausgeflogen.[7] Er erlebte das Kriegsende in Freiburg.[8]

In der Bundesrepublik Deutschland trug Aubin wesentlich zur Wiedereinrichtung der Ostforschung bei. Nach einer Lehrstuhlvertretung in Göttingen 1945 hatte er von 1946 bis 1954 einen Lehrstuhl an der Universität Hamburg inne. 1949 gründete er den „Johann Gottfried Herder-Forschungsrat“ und war dessen Präsident von 1950 bis 1959. Ab 1952 gab er die Zeitschrift für Ostforschung heraus.[6] 1953 wurde er zum Präsidenten des Verbandes der Historiker Deutschlands gewählt und war dessen Vorsitzender bis 1958. Von 1932 bis 1967 war er zudem Alleinherausgeber der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG). Von 1959 bis 1964 war Aubin Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der er seit 1932 angehörte; er leitete von 1959 bis 1968 die Abteilung „Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit“. Von 1955 bis 1963 hielt er als Honorarprofessor in Freiburg[9] Lehrveranstaltungen ab.[10]

Nach Eduard Mühle hat Aubin noch in den 1950er und 1960er Jahren die nationalsozialistische Ost- und Volkstumspolitik als positiven Beitrag zu einer Lösung der ostmitteleuropäischen Nationalitätenprobleme dargestellt.[11] Hans-Erich Volkmann zufolge knüpfte Aubin als Exponent der neuen „bundesrepublikanische[n] Ostforschung“ an den alten „siedlungs-, volkstums- und kulturraumgeschichtlichen Tenor“ wieder an.[3]

In den Vertriebenenverbänden und besonders im sudetendeutschen Milieu hatte Aubin großen Einfluss. Gegenüber Polen und Tschechen forderte er „Symbiose anstelle von Rivalität“. Doch sah er bis zuletzt die Ausdehnung eines „bolschewisierten Slawentums bis an Oder und Neiße“ als Bedrohung der Kultur des „christlichen Abendlandes“ und wirkte, so der Historiker Volkmann, im Sinne einer Geschichtsschreibung, die die Deutschen „in das Volk der Opfer verwandelte“.[3] Erst in den 1970er Jahren geriet seine NS-Vergangenheit in die Kritik.