Paul Barsch
(*
16.
März
1860
in
Niederhermsdorf im
Kreis
Neiße; †
3.
August
1931
in Schieferstein am
Zobten;
Ps. Fritz Hartwig) war ein deutschsprachiger,
schlesischer
Lyriker und
Erzähler.
Paul Barsch kam als Sohn einer
armen Handwerkerfamilie im schlesischen Niederhermsdorf (heute:
Jasienica Dolna) zur Welt. Sein Vater war der Tischler August
Barsch und Anna Barsch, die in Gegend von Mogwitz und Waltdorf
Hütemagd gewesen war. Seine Mutter und die (gleichnamige)
Schwester hat Barsch noch 1901 finanziell unterstützt. Sein
jüngerer Bruder Carl Barsch starb 1891 in
Potsdam, wo er als
Gärtner im Schlosspark von
Sanssouci
angestellt war.
Ein älterer Bruder und drei
jüngere Geschwister starben an der Schwindsucht, die der
Siebenjährige überlebte, der allerdings für mehrere Jahre wegen
skrofulöser Geschwüre erblindete. In dieser Zeit vermittelte ihm
seine Mutter die Poesie und das
Volksliedgut
seiner Heimat. Vom Tragen der sogenannten „Glaskrächze“, einer
Vorrichtung zum Transport von Glasscheiben und Holzrahmen, trug
der Zehnjährige eine lebenslange Verkrüppelung davon. Infolge
dieser Erkrankungen besuchte der Junge die Dorfschule nur
unregelmäßig und insgesamt zwei Jahre lang.
Dennoch gehörte Barsch zu den
wenigen Einwohnern des Orts, die das Lesen und Schreiben erlernt
hatten, und wurde früh mit den Gedichten von
Friedrich Schiller
vertraut.
Nach dem Tod seines Vaters (1875)
ging Barsch selbst bei einem Tischler in die Lehre und zwei
Jahre später als Geselle auf Wanderschaft, zuerst nach
Goldberg,
wo es ihm gelang, einen Zeitungsredakteur für seine nachts unter
der Werkbank geschriebene Lyrik zu interessieren und erstmals
ein Gedicht zu veröffentlichen.
Nachdem er sich in
Niederschlesien, an der
Mosel
und am
Rhein,
in
Belgien,
Luxemburg und
Lothringen bei
wechselnden Arbeitgebern als Geselle verdingt hatte,
durchwanderte er auch
Österreich, das
Elsaß
und die
Schweiz. In
Stuttgart besuchte er
Karl
Gerok. Für das Gedicht
Agnes erhielt er bei einem Wettbewerb des Vereins
Breslauer Dichterschule
einen Sonderpreis von 60 Reichsmark und wurde vom Vorsitzenden
Theobald Nöthig zu einer
Lesung nach
Breslau
eingeladen, wo er im September 1881 der Dichterschule beitrat.
Mehrere Jahre arbeitete Barsch in
der Werkzeugmaschinenfabrik von Richard Standfuß in Breslau, bis
er durch einen Arbeitsunfall, bei dem er sich die Finger der
rechten Hand zerschnitt, zum Invaliden wurde.
Unterstützungsangebote prominenter Autoren wie
Richard Schmidt-Cabanis
lehnte er ab und ging wieder auf Wanderschaft. Der
schlesische
Mundartdichter
Max
Heinzel und August Kruhl,
ein einsiedlerisch lebender Vegetarier und Lebensreformer,
nahmen ihn in
Reichenbach auf; in
Hirschberg
betätigte sich Barsch wieder als Tischler. Kruhl entdeckte
Barschs journalistische Begabung und vermittelte seine
Gerichtsreportagen an Breslauer Blätte
Der Redakteur
Maximilian Schlesinger
verschaffte Barsch 1884 eine Stelle als Redakteur der
Literaturbeilage zur Breslauer Gerichts-Zeitung, die er 17 Jahre
innehatte, seit 1897 als Chefredakteur. Überdies betreute er von
1889 bis 1893 die Monatsblätter der Breslauer
Dichterschule und veröffentlichte hier unter anderen Erstlings-
und Frühwerke von
Rainer
Maria Rilke,
Stefan
Zweig und
Karl
Kraus. Später wurden die
jungen, damals unbekannten Autoren
Armin
T. Wegner und
Max
Herrmann-Neisse von
Barsch gefördert. Die Ära der Redaktion von Paul Barsch gilt als
„Glanzperiode des Vereinsorgans“.[1]
1901 wurde das Blatt in Der Osten umbenannt, und Barsch
übernahm ab 1. Januar 1904 erneut die Redaktion.
Weitere Freunde Barschs im
Umkreis der Breslauer Dichterschule waren
Hermann Stehr,
Carl
Hauptmann,
Philo
vom Walde,
Wilhelm Arent,
Arthur
Silbergleit,
Paul
Mühsam und
Walter
Meckauer. Mit
Ludwig
Jacobowski, der ihn in
seine Anthologie Neue Lieder der besten neueren Dichter für's
Volk (1900) aufnahm, führte er einen regen Briefwechsel,
ebenso mit
Carl
Busse,
Karl
Bleibtreu und anderen
Vertretern des
Naturalismus. Später
holte Alfred Oehlke den Dichter als Mitarbeiter an die Breslauer
Zeitung. Eine gemeinsame Reise mit dem katholischen
Volksschriftsteller
Paul
Keller führte Barsch
1903 von
Genua
aus in den
Nahen
Osten, nach
Algier
und
Tunis
und wieder zurück nach
Italien sowie zu einer
Audienz bei Papst
Pius
X. im
Vatikan.
Seine Lyrik gab der Autor zuerst
1884 in Buchform heraus und bearbeitete die Texte in neuen
Auflagen immer wieder. Für den Literaturhistoriker Arno Lubos
ist Barsch „bis zum heutigen Tag einer der geschätztesten
schlesischen Schriftsteller“.[2]
1905 veröffentlichte Barsch sein
Hauptwerk, den Roman Von Einem, der auszog, der seine
Schicksale in der Erzählung des schlesischen Wandergesellen
Julius Kattner schilderte.
Gerhart Hauptmann hatte
das Manuskript dem
S.
Fischer Verlag
empfohlen; es erschien dann in zwei Bänden bei Eduard Trewendt,
später bei L. Heege, einem schlesischen Verlag in
Schweidnitz, und wurde
unter anderem von
Detlev
von Liliencron in der
Neuen
Freien Presse hymnisch
rezensiert. Die bei aller Selbstironie naturalistische
Darstellung des Elends der Landstraße und der Obdachlosenasyle
trug dem Autor den Ruf eines „schlesischen
Gorki“
ein. Das Buch ist außerdem eine wichtige Quelle für die
Sondersprache der deklassierten Unterschicht, das
Rotwelsch.
Bis 1933 erschienen zahlreiche Auflagen und eine gekürzte
Volksausgabe in einem Band.
1886 heiratete Barsch die
Mecklenburgerin
Hedwig
Wigger (1852-1918), die
als Erzieherin bei einem regierenden Minister in
Portugal und in
Wien
gearbeitet hatte, aus dem Portugiesischen übersetzte und für
verschiedene Journale über Neuerscheinungen der portugiesischen
Literatur berichtete. Ihre gemeinsame Tochter Julia (1886-1923)
trat mit Rezitationen auf und war Mitarbeiterin am Feuilleton
der Breslauer Zeitung. Später heiratete sie den Görlitzer
Gymnasiallehrer
Paul
Gatter; ihr Enkel war
der Fernsehjournalist
Peter
Gatter.
Ruhm
und letzte Lebensjahre
[Bearbeiten]
Seit 1. April 1901 lebte Barsch
als freier Schriftsteller. Im Jahr 1900 übersiedelte er mit
seiner Familie nach Grüneiche, einem ländlichen Vorort; seit
1905 lebte er wieder in Breslau. In Schieferstein richtete er
sich ein Sommerhaus ein, wo sich auch der Mundartdichter
Ernst
Schenke niederließ und
wohin Carl Busse, Armin T. Wegner und viele andere Autoren zu
Angel-Ausflügen kamen. Im
Zweiten Weltkrieg fand
der von den
Nazis
verfolgte und in Berlin ausgebombte ehemalige
Reichstagspräsident
Paul
Löbe Zuflucht in diesem
Haus und wurde hier nach dem Attentat vom
20.
Juli 1944
verhaftet.
Zum fünfzigsten Geburtstag wurde
der Dichter am 16. März 1910 mit einer Matinee im Breslauer
Stadttheater geehrt; Maximilian Schmergalski porträtierte ihn
mit einer Holzplastik. Zum 60. Geburtstag schrieb ihm die Stadt
Breslau einen Ehrensold aus. Paul Schulz schuf um 1930 eine
Bronzeskulptur von Paul Barsch, die in der
Universität
aufgestellt wurde.
Der seit Ende des
Ersten
Weltkriegs verwitwete
Autor heiratete im Dezember 1920 die Lyrikerin
Marie
Muthreich
(1884-1957), die auch seine Biographie verfasste.
Am
3. August 1931 verstarb Paul Barsch in seinem Haus in
Schieferstein am Zobten.
Barsch war Mitglied im Bund der
Freimaurer, dort
bekleidete er das Amt des
Meister vom Stuhl der
Loge
Settegast zur deutschen Treue in
Breslau.
-
„Der Dichter, Landsmann, Wanderer Paul Barsch lebt, mitten in
dieser aufgewühlten Zeit, im Bewußtsein als etwas
Friedlichernstes, Echtes, Liebenswertes. Wenn ich mit
Gerhart Hauptmann über ihn sprach, fand ich bei Hauptmann
die gleiche Zuneigung für Barsch, die ich selbst habe.“
Alfred Kerr
-
„Paul
Barsch hat zwar nur eine einfache Dorfschule besucht,
aber doch für sein Dichtertum sehr instruktive Lektionen
genossen, in Werkstätten, in Schänken und Spelunken, auf der
Landstraße, in den Winkeln und Gassen kleinerer Städte, auf
dem Lande, bei Schifferleuten, im Zigeunerlager, in kalten
Scheuern und bei lustigen Festen hat er studiert... Das
Leben war seine hohe Schule und selten ist da ein
gelehrigerer Schüler hineingegangen. Aus der Brust der
allergrößten alma mater
der Welt, dem ewig klugen, ewig zweifelnden, immer
vorwärtsstrebenden, alle, alle Fakultäten umfassenden Leben
hat er seiner Seele Nahrung genossen. Wie Maxim Gorki
war er so lange unter den Kleinen und Kleinsten, bis er, wie
kein anderer, befähigt war, die Naturgeschichte des kleinen
Mannes zu schreiben. “ Paul Keller
-
„Dieses Buch kann für immer
bereichern, fördern, beglücken. Paul Barsch ist ein
wahrhaft echter Dichter, ein guter, lustiger, vielerfahrener
Mensch, ein ganzer Kerl. Wenn ich vergleichen soll, so
möchte ich sagen, daß dieses kostbare Buch die Mitte hält
zwischen Eichendorffs ‚Taugenichts‘ und Gorkis
Barfüßlergeschichten. Sein echt deutscher Charakter (ich
meine das Deutschtum etwa im Sinn der Brüder Grimm) macht es
zu einem Volksbuch im allerschönsten, allertiefsten und
allergrößten Sinn, zu einem Volksbuch, das gleichzeitig
eines der schätzbarsten Kunstwerke, eine der innigsten
Prosadichtungen ist.“
Detlev von Liliencron
über Von Einem, der auszog.
-
Quelle; "
Wikipedia 2010"