Richard Foerster (* 2. März 1843 in Görlitz; † 7. August 1922 in Breslau) war ein deutscher Klassischer Philologe, Archäologe und Kunsthistoriker. Er war ordentlicher Professor für Klassische Philologie an den Universitäten zu Rostock (1875–1881), Kiel (1881–1890) und Breslau (1890–1922). In der Philologie ist er besonders als Herausgeber der Werke des spätantiken Rhetors Libanios bekannt. Weitere grundlegende Editionen lieferte er zu den Physiognomikern und zu Chorikios von Gaza.

Foerster war einer der letzten Altertumsforscher, die als Vertreter einer umfassenden Altertumswissenschaft im Sinne August Boeckhs und Otfried Müllers philologische und archäologische Forschung verbanden. Die Gegenstände seiner Forschung brachte er durch seine rege Vortragstätigkeit einem weiteren Publikum nahe. Im kulturellen Leben Breslaus seiner Zeit spielte er eine bedeutende Rolle, besonders als Vorsitzender der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.

Richard Foerster stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater Carl Förster († 1877, verheiratet mit Auguste geb. Weider) betrieb als Wagenbauer ein mittelständisches Unternehmen in Görlitz. Er ermöglichte seinem Sohn Richard den Besuch der Bürgerschule und des Gymnasiums Augustum (ab 1852).

Nach der Reifeprüfung im Februar 1861 studierte Richard Foerster ab dem Sommersemester 1861 an der Universität Jena. Zu Anfang schwankte er zwischen den Fächern Theologie und Philologie.[1] Er besuchte Vorlesungen und Übungen der Philologen Karl Wilhelm Göttling, Carl Nipperdey und Moritz Schmidt, daneben auch theologische, historische, philosophische, archäologische und sprachwissenschaftliche Veranstaltungen. Foerster war Mitglied der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller.[2]

Zum Wintersemester 1861/1862 wechselte Foerster an die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau, wo er sich ganz auf die Altertumswissenschaft konzentrierte. Deren Vertreter in Breslau hatten sehr unterschiedliche Profile: Friedrich Haase war auf Textkritik und Grammatik ausgerichtet, Martin Hertz behandelte weite Bereiche der lateinischen Literatur, Rudolf Westphal war Spezialist für antike Musik, August Rossbach verband Philologie und Archäologie. Von diesen akademischen Lehrern erfuhr Foerster vielfältige Anregung und Prägung.

Die Anfänge seiner wissenschaftlichen Arbeit standen unter Haases Einfluss, der Foersters Aufmerksamkeit auf die griechische Satzlehre (Syntax) lenkte. Vier Jahre lang verfolgte Foerster das Phänomen der Kasusattraktion bei verschiedenen griechischen Autoren. Seine Beobachtungen insbesondere an den Tragödien des Aischylos legte er 1866 in seiner Dissertation nieder, mit der er am 28. Juni 1866 zum Dr. phil. promoviert wurde.[3]

Als Gymnasiallehrer: Beruf und Weiterqualifikation (1866–1868)[Bearbeiten]

Nach der Staatsprüfung im November 1866 schlug Foerster die Lehrerlaufbahn ein, die sicheren Lebensunterhalt bot. Bereits seit Ostern hatte er eine Hilfslehrerstelle am Magdalenengymnasium zu Breslau vertreten.[4] Ab November arbeitete er als Lehramtskandidat und unterrichtete Griechisch, Latein, Deutsch und Religion. Nach Ablauf des Probejahres wurde Foerster im September 1867 als Collaborator angestellt, womit er eine Übergangsstellung zwischen Kandidat und Oberlehrer innehatte.

Seine wissenschaftlichen Studien setzte Foerster neben seiner Unterrichtstätigkeit fort. Er veröffentlichte kleinere Abhandlungen über die Ikonografie der Göttin Hera und habilitierte sich am 23. Oktober 1868 an der Universität Breslau mit einer Fortsetzung seiner Dissertation für die Fächer Philologie und Archäologie.[5]

Kurz nach seiner Habilitation trat Foerster eine zweijährige Reise nach Italien an, für die er bis Ostern 1871 Urlaub nahm. Ermöglicht wurde diese Reise durch das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts, das Foerster für die Jahre 1868/1869 und 1869/1870 erhielt.

In Italien knüpfte Foerster vielfältige Kontakte, aus denen teilweise mehrjährige Freundschaften entstanden. Zu denen, die er in Rom kennenlernte, gehörten der Maler Arthur Blaschnik (1823–1918), der Historiker Ferdinand Gregorovius, die Archäologen Heinrich Brunn, Karl Dilthey, Wilhelm Henzen und Wolfgang Helbig sowie der Berliner Philologe Rudolf Hercher.

Foerster nutzte die Jahre in Italien vornehmlich zur Kollation verschiedener lateinischer und griechischer Handschriften. Seine Schwerpunkte setzte er auf Anregung von Hercher auf die Handschriften des spätantiken Rhetors Libanios. Außerdem sammelte er auf Rat seines Breslauer Lehrers Rossbach physiognomische Schriften und beschäftigte sich mit den antiken Kunst- und Baudenkmälern.

Nach Aufenthalten in Florenz, Mailand, Venedig, Modena, Neapel, Pompeji und Griechenland kehrte Foerster im Frühjahr 1870 nach Breslau zurück. Hier heiratete er Angelika Lübbert (1846–1936), die Tochter des Gutsbesitzers Friedrich August Lübbert, mit der er drei Kinder bekam: Angelika (1871–1951),[6] Otfrid (1873–1941) und Wolfgang (1875–1963).

Seinen Lebensunterhalt verdiente Foerster weiterhin als Gymnasiallehrer. Daneben hielt er als Privatdozent philologische und archäologische Vorlesungen und Übungen ab. Sein erstes Kolleg las er im Wintersemester 1870/1871 „Über die Altertümer von Pompeji“. Zur Auswertung seiner Forschungsergebnisse gewährte ihm die Schulbehörde im Winter 1872/1873 einen halbjährigen Urlaub.

Foersters Vorlesungen und Übungen behandelten eine große Bandbreite von Themen: Griechische und lateinische Literatur, Sprachwissenschaft, Gerichtswesen, Wandmalerei, Topografie und Architektur. Da er als Privatdozent kein festes Einkommen hatte, war er auf seine Stelle am Gymnasium angewiesen, so dass er Forschung, akademische und schulische Lehre nebeneinander betrieb. Diese Situation änderte sich, als im Oktober 1873 eine neues Extraordinariat für Klassische Philologie an der Universität eingerichtet wurde. Diese Professur erhielt Foerster, da er der älteste habilitierte Dozent seines Faches war. Am 21. Oktober 1873 wurde er zum a.o. Professor ernannt. Zwei Jahre später wurde seine Stelle im Etat verankert[7] und blieb damit für die Zukunft gesichert, auch nachdem Foerster ein auswärtiges Angebot angenommen und die Universität Breslau verlassen hatte.

Zum 1. Oktober 1875 ging Foerster als o. Professor an die Universität Rostock. Hier wirkte er als Kollege der hochbetagten Professoren Ludwig Bachmann und Franz Volkmar Fritzsche. Die schlechte Ausstattung der Seminarbibliothek, der geringe Etat des philologischen Seminars und die schwierige Zusammenarbeit mit Bachmann und Fritzsche erschwerten seine Tätigkeit. Foerster verkehrte vor allem mit den jüngeren Kollegen in der Fakultät, besonders mit dem Historiker Friedrich Wilhelm Schirrmacher und dem Nationalökonomen Hermann Roesler.

In der Fakultät trat Foerster als Verfechter der Lehrqualität hervor. Besonders ein Ereignis des Jahres 1876 gab ihm Gelegenheit, sich zu profilieren: Im Zuge der Plagiatsaffäre um den Berliner Bibliothekar Wilhelm Dabis, der 1873 in Rostock in absentia promoviert worden war, hatte Theodor Mommsen in einer Streitschrift die Praxis der Absenzpromotion angeprangert, die nur an wenigen Universitäten noch möglich war und nach Mommsens Ansicht eine Gefahr für das Ansehen des Doktortitels darstellte.[8] Foerster bemühte sich nun darum, die Promotionsstatuten der Universität Rostock zu reformieren, und gewann dabei die Unterstützung vieler Fakultätsmitglieder. Sein Ansehen stieg dadurch innerhalb und außerhalb der Universität. Im akademischen Jahr 1879/1880 fungierte er als Dekan der philosophischen Fakultät.

Seine Forschungsarbeit setzte Foerster unverändert fort. Mit Unterstützung der Preußischen Akademie der Wissenschaften reiste er 1880 nach Spanien, Frankreich und England, wo er zahlreiche Handschriften des Libanios und des Geschichtsschreibers Chorikios von Gaza kollationierte. Auf diesen Reisen lernte er den französischen Handschriftenforscher Charles Graux kennen, der ihn kurzzeitig bei seinen Forschungsvorhaben unterstützte.

Im Januar 1881 erhielt Foerster den Ruf als o. Professor der Klassischen Philologie und der Eloquenz an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem er zu Ostern 1881 als Nachfolger seines Schwagers Eduard Lübbert folgte. In Kiel waren die Studenten zahlreicher als in Rostock und die Universitätsbibliothek Kiel war besser ausgestattet, so dass Foerster eine fruchtbare Lehrtätigkeit entfalten konnte. Während seine Kieler Kollegen Peter Wilhelm Forchhammer und Friedrich Blass hauptsächlich gräzistische Lehrveranstaltungen anboten, konzentrierte sich Foerster auf die Latinistik. Im akademischen Jahr 1885/1886 war er Dekan der Philosophischen Fakultät. 1886/87 war er Rektor der CAU. In seiner Rektoratsrede Die klassische Philologie der Gegenwart nahm er eine Standortbestimmung und methodische Bestandsaufnahme seines Faches auf.[9] Das Ideal des Altertumsforschers sah er in der Anbindung eigenständiger Forschungsarbeit an die Geschichte des Faches und in der Synthese von neuen und alten Erkenntnissen. Gleichzeitig warnte er vor einseitiger Spezialisierung, deren Folge sei, dass der Geist und Gehalt der antiken Welt nicht mehr empfunden, geschweige denn verstanden würde.

Trotz der günstigen Arbeitsbedingungen in Kiel ergriff Foerster gern die Gelegenheit, an seine Alma Mater Breslau zurückzukehren. Dort war im August 1889 nach dem Tod Wilhelm Studemunds ein Lehrstuhl freigeworden. Der zuständige Ministerialdirektor Friedrich Althoff zog sofort Erkundigungen nach einem möglichen Nachfolger bei seinem Berater Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff ein. In einem Brief vom 22. August 1889 empfahl Wilamowitz Richard Foerster. Entscheidend war für ihn die Tatsache, „daß er schon in Breslau [als Privatdozent und Extraordinarius, 1870–1875] lehrerfolg gehabt hat, in Rostock sehr gut gewirkt (er hat die doctorschande dort vertilgt) und in Kiel allein wirkung hat. ich kenne ihn gar nicht, er hat viele gegner; aber die arbeiten, die er hervorruft, sind achtbar in jeder weise, und als director der prüfungscomission muß er doch auch die geschäftsgewandheit haben.“[10]

Im November 1889 legte die Philosophische Fakultät der Universität Breslau eine Berufungsliste vor, auf der an erster Stelle der Marburger Professor Theodor Birt genannt war; Richard Foerster stand gemeinsam mit Otto Crusius und Johannes Schmidt an zweiter Stelle. Auf eine Anfrage von Althoff zu dieser Liste empfahl Wilamowitz in einem Brief vom 25. November erneut Foerster.[11] Dieser erhielt schließlich am 19. Dezember 1889 den Ruf und nahm ihn mit Wirkung zum 1. April 1890 an.

In Breslau wirkte Foerster mehrere Jahrzehnte und brachte seine umfangreichen Forschungsvorhaben zu Ende. Er lehrte noch einige Jahre lang neben seinen ehemaligen Lehrern Martin Hertz und August Rossbach. Mit Rossbach und dessen Nachfolger Friedrich Marx verwaltete er gemeinsam die Professur der Eloquenz, bis er sie 1896 allein übernahm. 1897/98 war er wiederum Rektor der Universität.[12] Während seines Rektorats setzte er die langersehnte Restauration des Universitätsgebäudes durch, die in den folgenden zehn Jahren durchgeführt wurde. Am 14. Januar 1893 wurde er zum Geh. Regierungsrat ernannt.[13]

Nach August Rossbachs Tod (1898) trat Foerster seine Nachfolge an: Er nahm den Lehrstuhl für Klassische Archäologie und Griechische Philologie ein und wurde 1899 Direktor des Archäologischen Museums. Die nächsten Jahre bemühte er sich um einen Neubau für die Antikensammlung, der jedoch aufgrund von Sparmaßnahmen vom Ministerium nicht genehmigt wurde. Die Unterstützung der Preußischen Akademie ermöglichte Foerster weitere Forschungsreisen nach England und in den Orient, wo er 1896 Antiochia am Orontes, die Heimatstadt des Libanios, erforschte. Von 1900 bis zu seinem Tod war er außerdem Vorsitzender der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur, der er ab 1867 angehörte. Während seiner Zeit als Vorsitzender leitete Foerster die Hundertjahrfeier der Gesellschaft und ermöglichte ihr den Einzug in ein neues, größeres Domizil, das am 27. Oktober 1907 eingeweiht wurde.[14] Für seine Verdienste um die Stadt Breslau erhielt er 1904 den Roten Adlerorden dritter Klasse mit Schleife.[15]

An der Universität engagierte sich Foerster auch nach seinen Rektorat in der akademischen Selbstverwaltung. Noch 1917, im Alter von 74 Jahren, wurde er zum Dekan der Philosophischen Fakultät gewählt. Neben den Verpflichtungen dieses Amtes musste er mit seinem Kollegen Wilhelm Kroll während des Ersten Weltkriegs doppelt so viele Lehrveranstaltungen wie vorher anbieten, weil die Professoren Alfred Gercke und Konrat Ziegler an der Kriegsfront waren.

Am 1. April 1920 ließ sich Foerster aus gesundheitlichen Gründen emeritieren. Auch im Ruhestand hielt er noch einzelne Vorlesungen, die letzte im Sommersemester 1922 über Amor und Psyche, ein Thema, das ihm besonders am Herzen lag.[16] Er starb am 7. August 1922 im Alter von 79 Jahren nach längerer Krankheit.

Richard Foerster war einer der letzten Altertumswissenschaftler, die Archäologie und Philologie zugleich betrieben. Er realisierte diese Verbindung, indem er philologische und kunsthistorische Methoden auf archäologische Denkmäler anwandte und die Ergebnisse archäologischer Forschung in seine philologische Arbeit einbezog. Dabei verfolgte er die Rezeption antiker Kunst, Kunsttheorie und Literatur bis in die Renaissance und die Neuzeit.

Als Altertumsforscher war Foerster über die Grenzen Schlesiens hinaus bekannt.[17] Er war Ehrenmitglied der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte in der Oberlausitz, Ehrenmitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und wirkliches Mitglied der Archäologischen Gesellschaft in Odessa.[18]

Foersters Lebensaufgabe bestand in der Auswertung seiner handschriftlichen Studien. Er setzte dabei den Schwerpunkt auf Autoren, von denen kritische Editionen bis dahin fehlten: Die spätantiken Rhetoren Libanios und Chorikios von Gaza sowie die antiken Physiognomiker. Obwohl diese Arbeiten mehrere Jahrzehnte in Anspruch nahmen, konnte Foerster sie vollständig abschließen. Nach seinem Tod bereitete Eberhard Richtsteig einen Teil von Foersters Lebenswerk zum Druck vor.