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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

  Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

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Zinke  Johannes

18.11.1903 in Liegnitz;

 † 14.11.1968 in Berlin.  

 Prälat,

   
  Zinke, Johannes,*  18.11.1903 in Liegnitz/Schlesien;  † 14.11.1968 in Berlin. Prälat, Leiter der Hauptvertretung Berlin des Deutschen Caritasverbandes

 

Als „Brückenbauer zwischen Ost und West, zwischen Kirche und Staat“ würdigte der damalige Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Hellmut Puschmann, den schlesischen Priester Johannes Zinke zu dessen 25. Todestag 1993. In mehrfacher Hinsicht nahm dieser schlesische Geistliche eine Schlüsselposition für den Zusammenhalt der katholischen Kirche in Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges ein. Zum einen repräsentierte er den Deutschen Caritasverband sowohl im West- wie auch im Ostteil Berlins, zum anderen fungierte Zinke mit großem Geschick als kirchlicher Emissär bei der DDR-Regierung.

Unterwegs zu sein, wenn nötig zwischen zwei unterschiedlichen politischen Systemen, war eine charakteristische Eigenschaft des in der niederschlesischen Bezirkshauptstadt Liegnitz als Sohn eines Tischlermeisters geborenen Priesters. Mit drei Brüdern aufgewachsen, prägte ihn als Schüler und Student besonders die katholische Jugendbewegung „Quickborn“. Nach dem Theologiestudium in Breslau und München erhielt er am 29. Januar 1928 durch Kardinal Bertram in Breslau die Priesterweihe. Nach sieben Kaplansjahren an St. Nikolaus in der Bischofsstadt erreichte ihn 1935 die Ernennung zum Diözesanpräses der Kolpingfamilien im Erzbistum Breslau und zugleich zum Pfarrkurat an St. Adalbert. 1938 folgte der Ruf zum Diözesan-Caritasdirektor. Der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Domkapitular Ernst Lange beschrieb seinen jungen Mitbruder damals als einen „der tüchtigsten und begabtesten Herren, besonders geeignet für Organisationsarbeit und Vereinswesen“. Denn Zinke hatte die Existenz der Kolpingarbeit erfolgreich gegenüber den Eingliederungsbestrebungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) verteidigt. So trug er auch als Caritasdirektor durch sein organisatorisches Geschick in einer Zeit, in der das kirchliche Sozialwesen vom NS-Regime behindert wurde, dazu bei, die Zahl der Caritas-Sekretariate in den einzelnen Pfarreien zu erhöhen. Damit sorgte Zinke für eine zunehmend flächendeckende Präsenz der kirchlichen sozialen Arbeit in Schlesien und trat der Ausbreitung von Einrichtungen der NSV entgegen.

Als Breslau im Januar 1945 zur Festung erklärt wurde, sorgte er gemeinsam mit Generalvikar Josef Negwer durch Verhandlungen mit Gauleiter Hanke dafür, daß 40 katholische Priester – darunter auch er selbst – in der Stadt bleiben durften. So erwies sich der Caritasdirektor schon in dieser schwierigen Situation als geschickter und mutiger Unterhändler für kirchliche Belange.

Dennoch ereilte ihn auch das Schicksal der Vertreibung, das ihn seinen Dienst im Restteil der Erzdiözese Breslau von Cottbus in der Niederlausitz aus wieder aufnehmen ließ. Das engagierte Wirken Zinkes machte Prälat Benedikt Kreutz, den Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg, auf den Breslauer Priester aufmerksam. Kreutz war es, der den umtriebigen Priester im April 1946 in die Hauptvertretung des Deutschen Caritasverbandes nach Berlin holte, wo er zunächst gemeinsam mit Franz Füssel und seit 1952 alleinverantwortlich die Leitung wahrnahm.

Mit dieser Aufgabe war eine zugleich karitative und höchst politische Mission verbunden, für die Johannes Zinke als ebenso unerschrockener wie auch gegenüber seinen kirchlichen Oberen loyaler Geistlicher prädestiniert erschien.

Denn die Hauptvertretung der Caritas in der ehemaligen Reichshauptstadt hatte zunächst einmal als Transmissionsriemen für die kirchliche Sozialhilfe zwischen westlichen Besatzungszonen und der SBZ bzw. DDR zu fungieren. 1951 richtete Zinke deshalb ein zweites Büro im sowjetischen Sektor der Stadt ein, das sich im St.-Hedwigs-Krankenhaus befand und von ihm als „Zentralstelle Ost“ bezeichnet wurde. Zinke selbst wohnte weiterhin im Westen der Stadt und pendelte täglich. Mithilfe eines Schreibens des Berliner Bischofs Bengsch konnte er auch nach dem Mauerbau am 13. August 1961 täglicher „Mauersegler“ bleiben und über den Bahnhof Friedrichstraße in die DDR ein- und ausreisen. Er verstand es, Einfuhrgenehmigungen für medizinische Geräte katholischer Krankenhäuser, aber auch Einrichtungen für kirchliche Bildungshäuser zu organisieren. Die Waren wurden daraufhin von der Hauptvertretung im Westen besorgt und über die „Zentralstelle“ im Osten der Stadt ausgeliefert. So flossen jährlich 30 Millionen DM durch seine Hände. Schließlich unterhielt er gute Kontakte zu dem Ostberliner Anwalt Wolfgang Vogel und engagierte sich beim Freikauf von Häftlingen.

Des Weiteren oblag der Berliner Caritas-Hauptvertretung in Personalunion traditionell die Tuchfühlung mit der Reichsregierung in Form eines Kommissariats der Fuldaer Bischofskonferenz. An Stelle dieser Kontakte aber rückten in der Nachkriegszeit Verhandlungen mit den Besatzungsmächten bzw. der DDR-Regierung. Als der bisherige und höchst erfolgreiche Leiter des Kommissariats Heinrich Wienken als Bischof nach Meißen wechselte, kam Johannes Zinke 1951 zusätzlich dessen Aufgabe zu. Zwar trug er lediglich den Titel eines Geschäftsträgers, jedoch nahm in Wahrheit die politische Brisanz seiner Aufgabe zu. Mit dem Wissen der Berliner Bischöfe verhandelte Zinke hinter den Kulissen, als es z.B. um die Errichtung des Philosophisch-Theologischen Studiums in Erfurt 1952 oder um die Freilassung der 1958 in Berlin-Biesdorf verhafteten vier Jesuitenpatres ging. Ganz in der Tradition Wienkens verfolgte er entgegen dem strikt antikommunistischen Kurs des Berliner Kardinals Konrad Graf von Preysing und dessen engstem Mitarbeiter Prälat Walter Adolph die Strategie der Kommunikation mit den verantwortlichen Stellen der DDR.

Im Januar 1953 erstmals mit der Stasi konfrontiert, spielte er sofort mit offenen Karten und unterhielt – ohne als IM geführt zu werden – als kirchlicher Gesprächsbeauftragter mit dem uneingeschränkten Vertrauen der Berliner Bischöfe Wilhelm Weskamm, Julius Kardinal Döpfner und Alfred Kardinal Bengsch offizielle Stasi-Kontakte. Für die Stasi blieb der 1952 zum Monsignore, 1957 zum Päpstlichen Hausprälaten und 1966 zum Apostolischen Protonotar ernannte Geistliche gleichwohl ein interessanter Gesprächspartner, zumal er außerdem als Sekretär der Berliner Ordinarienkonferenz fungierte. 1960 zog Zinke sogar ernsthaft in Betracht, ganz in den Ostsektor der Stadt umzusiedeln, blieb aber dennoch „Grenzgänger“, der privat ganz bescheiden in einem Zimmer des St.-Hildegard-Krankenhauses in Charlottenburg lebte. Seit 1964 wohnte „Bruder Johannes“, wie er angesichts seiner schlichten Frömmigkeit und persönlichen Bedürfnislosigkeit genannt wurde, im dortigen Benedikt-Kreutz-Haus der Caritas. „Eine Tür ist immer offen“, so wird er selbst in seinem festen Glauben zitiert, auch in schwierigsten Situationen zugunsten eines menschenwürdigen Lebens noch Brücken bauen zu können.

1952 auch in das neu gegründete Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) berufen, gehörte Prälat Zinke von 1957 bis 1965 dessen Geschäftsführendem Ausschuß an. Zudem entwickelte er seine Aktivität im Ost-West-Ausschuß dieses wichtigsten Laiengremiums des deutschen Katholizismus und bereitete die Deutschen Katholikentage in Berlin 1952 und 1958 maßgeblich mit vor.

Bei dieser Fülle von Aufgaben, bei deren Erfüllung er sich keinerlei Erholung und Freizeit gönnte, verwundert es nicht, daß Prälat Zinke letztlich an ihnen körperlich zerbrach und einem Herzanfall erlag.

Nach einem von Kardinal Bengsch zelebrierten Pontifikalrequiem in St. Rita in Berlin-Reinickendorf wurde er am 22. November 1968 in der Begräbnisstätte des Berliner Domkapitels auf dem St.-Hedwigs-Friedhof in Reinickendorf beigesetzt.

Das Andenken dieses Priesters, der nicht als intellektueller Prediger brillierte, sondern durch seine Persönlichkeit und seinen Einsatz für andere Menschen, lebt in Berlin weiter im Caritas-Altenzentrum an der Malteserstraße in Berlin-Marienfelde, das 1977 nach Johannes Zinke benannt wurde.

Lit.: Ehrung für Msgr. Johannes Zinke, in: Seelsorge-Brief Liegnitz/Schlesien 11/1957, S. 8. – Josef Negwer (Hrsg. Kurt Engelbert): Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Hildesheim 1964, S. 215; 242ff. – Nachrufe, in: Petrusblatt Berlin v. 24.11.1968, KNA Nr. 274 v. 22.11.1968, Der Schlesische Katholik 12/1968, Der Schlesier v. 5.12.1968; – Caritas. Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes 1969. – Wolfgang Knauft: Katholische Kirche in der DDR. Gemeinden in der Bewährung 1945-1980, Mainz 1980. – Martin Höllen: Heinrich Wienken. Der „unpolitische“ Kirchenpolitiker (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, B, Bd. 33), Mainz 1981, S. 141f. – Elisabeth Hampel: Seine Freunde nannten ihn Bruder Johannes. Prälat Johannes Zinke (1903-1968), in: Caritaskalender 1992, S. 23. – Hubertus Guske: Art. Zinke, Johannes, in: Jochen Cerny (Hrsg.): Wer war wer in der DDR. Ein biographisches Lexikon, 2. Aufl. Berlin 1992, S. 508. – Letzte Instanz, wenn anscheinend niemand mehr helfen konnte. Zur 25. Wiederkehr des Todestags von Prälat Johannes Zinke, in: Kirchenzeitung Bistum Berlin v. 21.11.1993, S. 11. – Thomas Raabe: SED-Staat und katholische Kirche. Politische Beziehungen 1949-1961 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, B, Bd. 70), 2. Aufl. Paderborn 1997. – Hellmut Puschmann: Zur Brückenfunktion des Deutschen Caritasverbandes, in: Ulrich von Hehl, Hans Günter Hockerts (Hrsg.): Der Katholizismus – gesamtdeutsche Klammer in den Jahrzehnten der Teilung? Erinnerungen und Berichte, Paderborn u.a. 1996, S. 127-137. – Friedrich Kronenberg: Zur Rolle des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Ein Bericht aufgrund eigener Kenntnisse und persönlicher Erfahrungen, in: Ulrich von Hehl, Hans-Günter Hockerts (Hrsg.): Der Katholizismus – gesamtdeutsche Klammer in den Jahrzehnten der Teilung? Erinnerungen und Berichte, Paderborn u.a. 1996, S. 39-68. – Gerhard Lange und Ursula Pruß: Caritas in der DDR, in: Erwin Gatz (Hrsg.): Caritas und soziale Dienste (Geschichte des kirchlichen Lebens, Bd. V), Freiburg u.a. 1997, S. 343-377, hier 346ff. – Bernd Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Bd. 8), Köln u.a. 1998. – Heinz Dietrich Thiel: Johannes Zinke 1903-1968. Brückenbauer zwischen Ost und West, in: Ulrich von Hehl/Friedrich Kronenberg (Hrsg.): Zeitzeichen. 150 Jahre Deutsche Katholikentage 1848-1998, Paderborn u.a. 1999, S. 185-200. – Heinz Dietrich Thiel: Johannes Zinke, in: Caritas. Jahrbuch des deutschen Caritasverbandes 2000, S. 382-393. – Reinhard Bögner: Art. Zinke, Johannes, in: LThK, Bd. 11 (2001), Sp. 261. – Bernd Schäfer: Art. Zinke, Johannes, in: Helmut Müller-Engbers u.a. (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, S. 954. – Christoph Kösters: Staatssicherheit und Caritas 1950-1989. Zur politischen Geschichte der katholischen Kirche in der DDR, Paderborn u.a. 2001. – Christoph Kösters (Hrsg.): Caritas in der SBZ/DDR 1945-1989. Erinnerungen, Berichte, Forschungen, Paderborn u.a. 2001. – Wolfgang Tischner: Katholische Kirche in der SBZ/DDR 1945-1951. Die Formierung einer Subgesellschaft im entstehenden sozialistischen Staat (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, B, Bd. 90), Paderborn u.a. 2001. – Norbert Thiel: Art. Johannes Zinke, in: Hubert Unverricht (Hrsg.): Liegnitzer Lebensbilder, Bd. 2: L-Z, Wiesbaden 2002, S. 372-375. – M. H.: Grenzgänger zwischen Ost und West. Erinnerungen an Prälat Johannes Zinke, in: Tag des Herrn Nr. 48 v. 30.11.2003. – Michael Hirschfeld: Zilke, Johannes, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XXIII (2004), Sp. 1595-1599.

Bild: Archiv des Apostolischen Visitators Breslau, Münster

Michael Hirschfeld

 

 

 Quelle; " Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 2013 "