Wolfgang Steinitz (* 28. Februar 1905 in Breslau; † 21. April 1967 in Berlin) war ein deutscher Linguist und Volkskundler des 20. Jahrhunderts.
Als Wiederentdecker verschütteter sozialkritischer Volksliedtraditionen war er der wichtigste Wegbereiter des deutschen Folk-Revivals in der Bundesrepublik und der DDR. Gleichzeitig gelten seine Forschungen über Sprache und Kultur des westsibirischen Volks der Chanten als eines der wichtigsten Zeugnisse für Überlieferung und Tradition dieser bedrohten sibirischen Ethnie. Auch in anderen sprachwissenschaftlichen und sprachpädagogischen Bereichen hinterließ Steinitz ein umfangreiches Werk.
Der Sohn eines wohlhabenden jüdischen Rechtsanwaltes – beide Eltern traten kurz nach seiner Geburt aus der Jüdischen Gemeinde aus – studierte von 1923 bis 1928 finno-ugrische Sprachwissenschaften und Völkerkunde an den Universitäten von Breslau und Berlin. 1927 trat er der KPD bei. Er unternahm Reisen nach Finnland, Estland und in die Sowjetunion. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er 1933 aus der Universität Berlin entlassen. Der überzeugte Antifaschist emigrierte 1934 in die Sowjetunion und erhielt eine Stelle als Professor für finnisch-ugrische Sprachen am Leningrader Institut der Nordvölker, einer Ausbildungsstätte für Angehörige der indigenen Völker des russischen Nordens und Sibiriens. Im Zuge der Stalinschen Säuberungen wurde er 1937 entlassen und musste ausreisen – im Rückblick ein Glück für die Familie.
Steinitz konnte nach Schweden weiter emigrieren. Ab 1943 bekam er eine Assistentenstelle an der Universität Stockholm. Er arbeitete in der Bewegung Freies Deutschland mit. Nach Kriegsende fuhr er bei der ersten Gelegenheit im Januar 1946 zurück nach Deutschland. In der DDR übernahm Steinitz viele unterschiedliche wissenschaftliche und politische Funktionen, unter anderem leitete er das finnisch-ugrische Institut der Ost-Berliner Humboldt-Universität. Zeitweilig gehörte er zu den politisch exponiertesten Wissenschaftlern der DDR: Er war 1954 bis 1958 Mitglied des Zentralkomitees der SED und 1954 bis 1963 Vizepräsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften der DDR. Steinitz starb 1967 an den Folgen eines Schlaganfalls.