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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

         Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

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Olesch  Reinhold

* 24.9.1910, Zalenze (Oberschlesien)

† 23.6.1990, Köln.

Slavist.

       
 

Reinhold Olesch, ordentlicher Professor für Slavische Philogogie an der Universität zu Köln, war gewiß im In- und Ausland der bekannteste unter den deutschen Slavisten.

Olesch wurde in Zalenze (heute Teil von Kattowitz) geboren. Sein Vater fiel zu Beginn des Ersten Krieges. Die Familie zog bald darauf nach St. Annaberg/Leschnitz, Kreis Groß-Strehlitz, um. Das oberschlesische Polnisch war seine Muttersprache; die Mutter achtete zugleich sorgfältig auf ein gutes Deutsch. Auf den Sohn fiel schon als Knaben die ganze Verantwortung für die Familie. Aufstände und Kämpfe polnischer Insurgenten nach dem Kriege erlebte er mit. Zur Schule ging er zuerst in Neiße, später auf das berühmte Matthias-Gymnasium in Breslau (heute Ossolineum), wo er 1930 die Reifeprüfung ablegte. Er ging dann zum Studium der Slavischen Philologie, Phonetik, Geographie und der antiken Sprachen, vom Sommersemester 1930 an nach Wien, wo er vor allem bei Fürst Trubeckoj hörte; ebenso wie der ihm eng befreundete polnische Sprachforscher W. Kuraszkiewicz in Posen war er Schüler dieses Erneuerers der Sprachwissenschaft.

 Im Wintersemester 1931/32 studierte er an der deutschen Universität in Prag, das ihn auch nicht halten konnte. Seit dem Sommersemester 1932 setzte er seine Studien bei Max Vasmer in Berlin fort, wo er im Sommersemester 1935 mit einer Dissertation über eine polnische Mundart in Oberschlesien (gedruckt 1937, Nachdruck 1968) in den Fächern Slavistik, Philologie, Allgemeine Phonetik, Geschichte und Philosophie promoviert wurde. In der langen Schülerreihe Vasmers gehörte er zu der mittleren Gruppe, die mit ihrem Lehrer besonders eng verbunden war. Zu einem sehr vertrauten Verhältnis zu Vasmer bis zu dessen Tode 1962 trug Oleschs Kenntnis des Polnischen bei, das Vasmer liebte und fließend sprach, weiter seine volkskundlichen Interessen sowie seine phonetische und gleichermaßen musikalische Begabung. Durch Vermittlung Vasmers erhielt er im Sommer 1935 ein neu begründetes Lektorat für Polnisch an der Universität Greifswald. Zugleich arbeitete er am Berliner Institut für Lautforschung bei Prof. Westermann mit, wo er 1937 noch eine Studie über „Die slavischen Dialekte Oberschlesiens“ veröffentlichen konnte. Die vor dem Kriege als Habilitationsschrift bereits abgeschlossene Arbeit über den „Wortschatz der polnischen Mundart von Sant Annaberg“ wurde dann aber konfisziert; nach abenteuerlichen Schicksalen des Manuskriptes kam er dann, erst lange nach dem Zweiten Kriege, wieder in dessen Besitz und konnte es 1958/59 in zwei Bänden veröffentlichen.

 Zum Kriegsdienst wurde er vorn ersten Tage an eingezogen und hatte ihn bis zum letzten Tag an der Front zu leisten. Als gläubiger Katholik und Oberschlesier wurde er mancherlei Drangsalen ausgesetzt, fand aber auch Beschützer. Im Jahre 1939 heiratete er. Seine Familie fand sich nach der Flucht in Bayern. Er selbst kehrte 1946 nach Greifswald zurück, wo er 1947 zum Professor ernannt und von dort 1949 nach Leipzig berufen wurde. 1953 konnte er durch die geschickte Verhandlung des Historikers Th. Schieder, des Dekans der Philosophischen Fakultät der Universität Köln, einem Ruf dorthin folgen. Einen Ruf nach Frankfurt a.M. lehnte er ab. Im Jahre 1963/64 war er Gastprofessor in Texas. In Köln wurde er 1975 emeritiert. In den über zwanzig Jahren seiner Wirksamkeit dort hat er mit einer enormen Energie und Schaffensfreude das Kölner Slavische Institut aufgebaut, eines der führenden Slavischen Seminare in ganz Deutschland. Durch seine persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften und unermüdliche Reisen und Exkursionen in alle slavischen Länder, verband er es mit den Forschungsstätten der meisten slavischen Universitäten. Vier Schüler führte er zur Habilitation. Eine große Zahl von Schülern aus beiden Teilen Deutschlands stand weiter mit ihm in Verbindung. Seine Forschungen galten vor allem den slavischen Sprachen, seine weiteren Fachinteressen der Märchenforschung und der Landeskunde.

 Fragen der Phonetik, der Akzentlehre, des Wortschatzes, standen im Mittelpunkt. In der Leipziger Zeit standen Polonica so sehr im Zentrum seiner Veröffentlichungen, daß man sagen kann, die Polonistik in Deutschland trug für ein gutes Jahrzehnt nach dem Kriege allein seinen Namen. In Köln wurde dann bald erkennbar, daß er das große Gebiet der Slavia von der Peripherie her eroberte: kleinere und Randsprachen gewannen seine ganze Aufmerksamkeit: polnische Dialekte Oberschlesiens, der tschakavische Küstendialekt des Kroatischen, das Sorbische (in Deutschland und in Texas), später das Kaschubische. Vor allem aber war es das (zu Beginn des 18. Jahrhundertes ausgestorbene) Dravänopolabische des hannoverschen Wendlandes, das er seit 1963 in mehreren Monographien und über 40 Aufsätzen erforschte. Zahlreiche, seit langem heftig umstrittene und für unlösbar geltende Fragen, hat er gelöst, das gesamte noch verfügbare Quellenmaterial ediert. Eine ähnlich monumentale Leistung ist das vielbändige Wörterbuch des Tschakavischen. Anderen slavischen Sprachen gelten über 80 Aufsätze. An mehreren wissenschaftlichen Reihen und Zeitschriften ist er als Herausgeber beteiligt. Seine Hauptleistung aber sind die von ihm begründeten „Slavistischen Forschungen“, in denen seit 1962 über 60 Bände erschienen sind.

Besondere Beachtung verdienen die „Mitteldeutschen Forschungen“, die er zusammen mit Walther Schlesinger und Ludwig Erich Schmitt von 1954 bis 1988 herausgab; unter seiner Leitung erschienen 99 Bände. Mit dem (Landes-)Historiker und dem Germanisten war schon in Leipzig diese fruchtbare Zusammenarbeit begonnen worden, die dann unter günstigen Bedingungen von Köln aus recht entfaltet wurde. Es waren Arbeitskraft, Organisationsgabe und Einsatz von R. Olesch, durch die mitteldeutsche Forschungen in dieser besonderen Konstruktion in der Bundesrepublik Deutschland eine günstige Entwicklung über mehr als 30 Jahre nehmen konnten. Persönlichkeit und Leistung von R. Olesch fanden vielfache Anerkennung, vor allem im Ausland: Ehrenbürgerschaft des Staates Texas 1964; 1973 verlieh ihm die Universität Posen den Titel eines Dr. h. c.; 1974 wurde er korrespondierendes Mitglied der Jugoslavischen Akademie der Wissenschaften in Agram (Zagreb); 1975 korrespondierendes Mitglied in der Accademia Adamo Mickiewicz di Storia e Litteratura Polacca e Slava in Bologna; 1980 Ausländisches Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau; 1977 ordentliches Mitglied des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates in Marburg a.d. Lahn; und 1988 Dr. h. c. der Philosophischen Fakultät der Universität Sofia. Die deutsche Wissenschaft verdankt R. Olesch viel: in seinem Fach, der Slavischen Philologie, in der unbeirrten Vertretung der freien Wissenschaft für mitteldeutsche Forschungen, in der Organsierung und Repräsentierung der deutschen Slavistik nach außen. Sie hat es ihm mit einem Gedenkband 1983 (Bausteine zur Geschichte der Literatur bei den Slaven 18) sowie zwei Festschriften, die zu seinem 80. Geburtstag erscheinen werden, zu danken gesucht.

Schriftenverzeichnis in der Festschrift „Untersuchungen zur slavischen Sprach- und Kulturgeschichte“ (Slavistische Forschungen Bd. 60) Köln 1989 enthalten, Schriften: Gesammelte Aufsätze I: Draveno-Polabica; II: Cetera Slavica (=Slawische Forschungen 59 I-II), Köln 1989.

Lit.: Henryk Borek, Siedemdziesiata piata rocznica urodzin prof. dra h. c. Reinholda Olescha, in: Kwartalnik Opolski, Jg. 31, 1985 Nr. 3/4, S. 41-43.

Hans Rothe

Quelle; " Ostdeutsche Biographie"