schl22

Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

        Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

  Pers. alphabetisch                                        A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Y Z
      
   
                  Nobelpreisträger Physiker 
                  Architekten, Ingenieure  Photografen, Optiker
                  Ärzte, Mediziner  Politiker
                  Chemiker Sänger
                  Dichter Schauspieler, Kabarettisten
                  Journalisten, Moderatoren Schriftsteller 
                  Historiker, Philosophen Sportler
                  Komponisten, Musiker, Dirigenten  Theaterkritiker
                  Maler, Grafiker  Theologen, Geistliche
                  Mathematiker  Industrielle, Unternehmer 
                  Militärs Widerstandskämpfer 
                  Monarchen, Fürsten   Wissenschaftler,Forscher,Botaniker
                   
        

                                                               zum  Buchstaben K       zu   Historiker.    
                                                                       

 Kuhn Walter        

27.09.1903 in Bielitz, 

† 25.08.1983 in Salzburg.

Historiker.  

   
 

Die Stadt Bielitz, in der Walter Kuhn als Sohn eines Gewerbelehrers geboren ist, bildete mit einem Kranz deutscher Dörfer eine Sprachinsel in polnischem und schlonsakischem Umfeld.

 Sie gehörte zum österreichischen Teil Schlesiens und wurde nach dem Ersten Weltkrieg dem neu entstandenen polnischen Staat eingegliedert. So wurde Kuhn früh mit Problemen des deutsch-polnischen Verhältnisses konfrontiert. Nach dem Abitur in seiner Heimatstadt nahm er in Graz ein Technikstudium auf, das er 1927 in Wien mit dem Ingenieurexamen abschloss. Während dieses Studiums war Kuhn bereits heimatkundlich aktiv und unternahm Fahrten zu deutschen Siedlungen in Galizien, Wolhynien und Kongreßpolen. Gleichzeitig hörte er Vorlesungen in Volkskunde und publizierte über die Geschichte und Gegenwart der Deutschen im Osten. Auch wenn das Interesse an den letzteren nach dem Ersten Weltkrieg allgemein zunahm, konnte der junge Bielitzer nicht wenig bis dahin Unbekanntes mitteilen.

Aufgrund seiner Veröffentlichungen wurde Kuhn in die „Studienstiftung des deutschen Volkes“ aufgenommen, die ihm ein Zweitstudium in Volkskunde und Geschichte ermöglichte, das er 1931 in Wien mit der Promotion abschloß. Im folgenden Jahr fand er eine Anstellung beim „Deutschen Kulturbund für Polnisch-Schlesien“ in Kattowitz, wo er seine wissenschaftlichen Studien fortsetzen konnte. Es ging ihm um eine ganzheitliche Auffassung der deutschen Sprachinseln, bei der Methoden der Volkskunde, Soziologie, Siedlungsgeschichte und weiterer Disziplinen zur Geltung kamen. Besondere Beachtung fand er mit seinem Werk „Deutsche Sprachinselforschung. Geschichte, Aufgaben, Verfahren“ (1934), dessen Erscheinen wesentlich dazu beitrug, daß Kuhn 1936 ohne Habilitation auf eine Professur für „Deutsche Volkskunde und ostdeutsches Volkstum“ an der Breslauer Universität berufen wurde. Durch die Einbringung neuer Themenfelder wie Siedlungsforschung und Sachkultur gab er der dortigen Volkskunde frische Impulse, und sein Wirken, zu dem volkskundliche Exkursionen mit Studenten gehörten, wurde von der Universität entschieden anerkannt. Gegenüber den rassenideologischen Auffassungen der Nationalsozialisten blieb Kuhn in seinen Publikationen immun. Mit den Historikern Hermann Aubin, Ludwig Petry und Heinrich Appelt sowie dem Geographen Herbert Schlenger hatte er in Breslau in gleichem wissenschaftlichen Geist tätige, dem Osten zugewandte Kollegen, mit denen er auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenarbeitete.

Nach Kriegsteilnahme und englischer Gefangenschaft erhielt Kuhn 1947 an der Universität Hamburg einen von Hermann Aubin vermittelten Lehrauftrag für Volkskunde. Die Sprachinseln, denen zuvor sein besonderes, auch die Stützung ihres Deutschtums erstrebendes Interesse gegolten hatte, waren teils schon durch die von Kuhn abgelehnte Umsiedlungspolitik unter Hitler, teils durch die Vertreibungen tragisch untergegangen. So konzentrierte sich der Gelehrte jetzt auf die Geschichte der deutschen Ostsiedlung, was zum Erscheinen seiner „Siedlungsgeschichte Oberschlesiens“ (1954) und des zweibändigen Standardwerkes „Geschichte der deutschen Ostsiedlung in der Neuzeit“ (1955/57) führte. Danach nahm die Siedlung des Mittelalters immer mehr Raum in seinen Veröffentlichungen ein, die mit Schlesien und Polen Schwerpunkte besaßen, über diese Gebiete aber vielfach hinausgingen.

Im Jahre 1955 war Kuhn endlich eine auf ihn zugeschnittene Professur für „Siedlungsgeschichte und Volkstumsforschung namentlich Ostdeutschlands“ am Hamburger Historischen Seminar übertragen worden. Als Extraordinarius konnte er hier aber leider nicht die Breitenwirkung erzielen, die wünschenswert gewesen wäre – erst kurz vor seiner Emeritierung (1968) erhielt er das Recht zur Abhaltung von Hauptseminaren und Staatsprüfungen. In seinen quellenorientierten Übungen scharte er gleichwohl eine Gruppe von ihm eng verbundenen Schülern um sich, aus deren Kreis nicht wenige Dissertationen zu ostdeutschen Themen hervorgingen.

Seinen Lebensabend verbrachte der Gelehrte in Salzburg. Als bedeutendster Historiker der deutschen Ostsiedlung anerkannt, setzte er unermüdlich seine Veröffentlichungstätigkeit fort. Mit seinem umfangreichen Spätwerk „Geschichte der deutschen Sprachinsel Bielitz (Schlesien)“, erschienen 1981, kehrte er noch einmal in besonderer Weise zu seinen prägenden Anfängen zurück.

In seinen stets sorgfältig erarbeiteten Veröffentlichungen war Kuhn mit Erfolg um Objektivität bemüht, obgleich er ein starkes emotionales Interesse an seinen Themen besaß. Wie er auch beim Abschied von seinen Hamburger Schülern erklärte, bestand dieses in der Liebe zu unserem Volk.

Lit.: Hugo Weczerka: Verzeichnis der Veröffentlichungen Walter Kuhns 1923-1978, in Zeitschrift für Ostforschung 27 (1978), S. 532-554. – Ders.: Verzeichnis der Veröffentlichungen Walter Kuhns seit 1979, in: Zeitschrift für Ostforschung 32 (1983), S. 169-172. – Gotthold Rhode in Zusammenarbeit mit Hugo Weczerka: Zum Tode von Walter Kuhn (1903-1983), in: Zeitschrift für Ostforschung 32 (1983), S. 161-168. – Brigitte Bönisch-Brednich: Volkskundliche Forschung in Schlesien. Eine Wissenschaftsgeschichte, Marburg 1994. – Jakob Michelsen: Von Breslau nach Hamburg. Ostforscher am Historischen Seminar der Universität Hamburg nach 1945, in: Rainer Hering/Rainer Nikolaysen (Hrsg.): Lebendige Sozialgeschichte. Gedenkschrift für Peter Borowsky, Wiesbaden 2003, S. 659-681 [einseitig].

Bild: Zeitschrift für Ostforschung 32 (1983), vor S. 161.

Norbert Angermann

 

Quelle; " Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen"