|
Mehr als
in anderen deutschen Landen war das geistige und soziale Klima der
Lehrerfamilien in Schlesien besonders günstig für die Entfaltung
musikalischer Talente.
Zu den Pflichten des dörflichen und
kleinstädtischen Schullehrers gehörte ja auch der kirchenmusikalische
Dienst. So ist auch der Lebensweg des am 25. Januar 1873 im Schulhaus zu Oberhannsdorf, Kreis Glatz, geborenen Georg Amft bereits früh
vorgezeichnet.
Vater
Amft war nicht nur ein tüchtiger Organist und Chorleiter, sondern wußte
auch die Geige zu handhaben. Daß der kleine Georg sehr frühzeitig mit
der Kirchenmusik und der Hausmusik in Berührung kam, blieb bei der
ausgeprägten musikalischen Begabung des Kindes nicht aus. Und fast
zwangsläufig führte ihn nach acht Volksschuljahren der Weg in die
„Königliche Präparandieanstalt“ nach Bad Landek, an der der bekannte
Schriftsteller Paul Keller sein Sitznachbar wurde. Von 1890 bis 1893
wird dann am Lehrerseminar in Habelschwerdt der Königliche Musikdirektor
Wilhelm Kothe sein Musiklehrer, dessen Nachfolger er 1901 werden sollte.
Die
Zwischenstationen bis zur Übernahme dieses Amtes (es verlangte von ihm
das Unterrichten in den Fächern Gesang, Chor, Klavier, Orgel, Violine
und Harmonielehre sowie die Leitung des Orchesters): 1893
Hilfslehrerstelle im Kreis Trachenberg, 1896 Lehrer im Bezirk Potsdam,
Besuch der „Hochschule für Schul-und Kirchenmusik“ in
Berlin-Charlottenburg. Die weiteren Stationen seines Lebensweges: 1914
Einberufung zum Kriegsdienst, 1916 Seminarmusiklehrer in Bromberg, 1919
Rückkehr nach Habelschwerdt an das Lehrerseminar, nach dessen Auflösung
von 1927 bis 1935 Studienrat an der Aufbauschule. Georg Amft stirbt am
9. März 1937 in Bad Altheide.
Eine Darstellung aller Aktivitäten, die
den Rahmen der eben genannten biographischen Daten mit vielfältigem
musikalischem Leben füllen, ist in dem vorgegebenen Zusammenhang nicht
möglich. Der Freund und Förderer der Kammermusik, der Vorsitzende im
„Cäcilienverband der Grafschaft Glatz“, der Herausgeber mehrerer Bände
„Orgelmusik alter Meister“ sollen nur erwähnt werden. Selbst bei der
Würdigung seines umfangreicheren kompositorischen Schaffens wird man
sich mit einigen Hinweisen begnügen müssen.
Neben Streichquartetten und Klavierliedern, die, weil ungedruckt
geblieben, nicht mehr erhalten sind, gilt das besondere Interesse Amfts
der weltlichen und der geistlichen Chormusik. Die Namen einiger Verleger
seiner Werke beweisen die Anerkennung und die weite Verbreitung, die
seine Musik seinerzeit erfuhr: Breitkopf und Härtel
(Leipzig), C.F. Kahnt (Leipzig), Schwann (Düsseldorf), Goerlich
(Breslau), Kothes Erben (Leobschütz). Vor allem in seinen
Orchestermessen weist sich Amft als gediegener und einfallsreicher,
cäcilianischen Ideen verpflichteter, doch der romantischen Tradition
verhafteter Komponist aus.
Die
Verleihung des Titels eines „Königlichen Musikdirektors“ im Jahre 1911
steht im Zusammenhang mit dem wichtigsten Beitrag, den Amft zur
schlesischen Musikgeschichte geleistet hat, mit der Herausgabe der
„Volkslieder der Grafschaft Glatz“. Dieses erstaunliche Dokument des
unerhörten Liederreichtums und der höchst lebendigen Singefreudigkeit in
einer geographisch begrenzten und ethnisch geschlossenen Region
innerhalb der Grenzen Schlesiens ist das Ergebnis einer achtjährigen
leidenschaftlichen Sammlertätigkeit Georg Amfts und seiner Mitarbeiter.
Die Fülle des Materials (die Sammlung enthält fast 750 Melodien mit
Texten) ist ebenso erstaunlich wie die Akribie der wissenschaftlichen
Kommentierung und der editorischen Praxis. Weit über die regionale
Bedeutung hinaus gilt die Sammlung Georg Amfts bis heute als ein
wichtiger Beitrag zur Volkslied- und Volkstumsforschung für das gesamte
deutschsprachige Gebiet.
Lit.:
H. Poplutz, Georg Amft (in: Grafschaft Glatzer Heimatblätter),
Heidelberg 1973; A. Bernatzky, Lexikon der Grafschaft Glatz, Leimen
1984; Riemann-Lexikon, Bd. l, Mainz 1957; Walter Salinen, Das Erbe
ostdeutschen Volksgesanges, Würzburg 1956.
Joachim Denhoff |
|