Joseph
Wilpert
(*
22. August
1857
in
Eiglau
bei
Bauerwitz,
Schlesien;
†
10. März
1944
in
Rom)
war ein
deutscher
Christlicher Archäologe.
Joseph Wilpert
stammte aus einer bäuerlichen Familie in Eiglau (heute Dzielów) in
Oberschlesien, die im 18. Jahrhundert ihren polnischen Familiennamen
Zwierzyna oder Zwierczina in Wilpert eingedeutscht hatte. Er war das
zweite von fünf Kindern seiner Eltern Anastasius und Marianna. Als
Zwölfjähriger bezog er das Gymnasium in Leobschütz (heute
Głubczyce).
Nach dem Ende seiner Schulzeit im Jahr 1877 begann er 1878 ein
Studium zunächst der Philosophie, dann nach einem
einjährigen Militärdienst ab
1880 der Theologie in
Innsbruck.
Die
Priesterweihe empfing er am
2. Juli 1883[3].
Am
10.
Oktober
1884
trat Wilpert eine »Kaplanei« am
Campo
Santo Teutonico in Rom an,
um sich zum Archäologen ausbilden zu lassen. Hier lernte er den
Rektor des Campo Santo
Anton de
Waal und unter den anderen
Kaplänen und Convictoren
Johann
Peter Kirsch kennen, mit dem
er eine lebenslange Freundschaft schloss. Rom blieb in der Folge
Wilperts Heimat, die er außer in den Jahren des
Ersten
Weltkriegs, in denen er als
Deutscher Italien verlassen musste, fast nur zu Forschungsreisen,
besonders im Zusammenhang mit seinen Sarkophagforschungen nach
Frankreich, Spanien, Algerien und Tunesien, wieder verlassen hat.
Großen Einfluss auf seine Arbeit gewann das Vorbild des Begründers
der Christlichen Archäologie als eigenständiger Wissenschaft,
Giovanni
Battista de Rossi. 1891
verließ Wilpert den Campo Santo und wohnte von da an im Haus des
Monsignore
Germano Straniero in der Nähe des Lateran, 1921 siedelte er in das
Collegio
Teutonico di Santa Maria dell’Anima
über, wo er infolge eines Sturzes 1944 starb. Beigesetzt wurde er
auf dem Friedhof des Campo Santo Teutonico.
Schon zu Beginn
seiner Arbeit in den
Katakomben
erkannte Wilpert die Unzulänglichkeit der bis dahin umlaufenden
Abbildungen, die er als Ursache der von ihm als falsch angesehenen
Deutungen ausmachte. So stellte er sich die Veröffentlichung
zuverlässiger Abbildungen als eine seiner Lebensaufgaben. In der
Folgezeit nahm er daher über Jahre hinweg alle Strapazen auf sich,
um in den engen Gängen der Katakomben vor den Originalen Fotografien
und zuverlässige Kopien der Malereien herzustellen. Nachdem er eine
Reihe von Einzeluntersuchungen, Fallstudien und grundsätzlichen
Überlegungen vorab veröffentlicht hatte, konnte er 1903 das Ergebnis
in zwei Foliobänden mit Abbildungen in einer bis dahin unerreichten
und auf lange Zeit nicht übertroffenen Qualität, gleichzeitig in
einer deutschen und einer italienischen Ausgabe, vorlegen. Das
vierbändige Corpus der kirchlichen Malereien und Mosaiken erschien
nach ähnlich umfangreichen Vorarbeiten mitten im ersten Weltkrieg
1916; das Corpus der Sarkophage, das diesmal auch die außerrömischen
Denkmäler einschloss, in fünf Foliobänden 1929-1936.
Wilpert hat sich
stets um eine Deutung der Darstellungen bemüht, die sich streng an
die erkennbaren Spuren hielt. Hierin hat er gegenüber seinen
Vorgängern beachtliche Fortschritte erzielt. Doch blieb seine
Interpretation frühchristlicher Kunstwerke als unmittelbare
Verbildlichungen von kirchlichen Glaubensvorstellungen, die er wohl
schon aus dem Unterricht an der Innsbrucker Universität mitgenommen
hatte, davon unberührt. Dies und seine mit dem Gros der damaligen
Christlichen Archäologen geteilte Tendenz, auch alltägliche Szenen
einer biblischen Erzählung oder einem kirchlichen Brauch zuzuordnen,
wurde schon zu seinen Lebzeiten von vielen Forschern abgelehnt.
Seine viel zu frühe Datierung vor allem der Katakombenmalereien
hatte ihn zu der Überzeugung gebracht, dass der Ursprung aller
christlichen Kunst in Rom zu suchen sei. Diese Überzeugung führte
ihn zu einer Abwertung der Kunsterzeugnisse der östlichen
Reichshälfte, die, wie seine Datierungen auch, schon von manchen
seiner Zeitgenossen korrigiert wurde.
Die bleibende
Leistung Wilperts ist die Schaffung der erschöpfenden Corpora der
frühchristlichen Katakombenmalereien, kirchlichen Mosaiken und
Malereien und Sarkophage mit zuverlässigen Abbildungen, die erst in
jüngster Zeit nach und nach durch neuere Sammelwerke ersetzt werden.
Ein Amt oder
eine berufliche Stellung hat Wilpert nie bekleidet. Aber schon seine
ersten Veröffentlichungen hatten ihm 1891 den Titel eines
päpstlichen Geheimkämmerers eingetragen, 1892 verlieh die
theologische Fakultät der
Königlichen Akademie zu Münster
Wilpert den Ehrendoktortitel, und 1893 erhielt er den ehrenvollen
Auftrag,
Kaiser
Franz Joseph das
Kardinalsbirett für den ungarischen Fürstprimas
Kolos
Ferenc Vaszary zu
überbringen. Seinen ersten Orden verlieh ihm 1893
Wilhelm
II.[4]
1896 erhielt er den Titel eines päpstlichen Hausprälaten. 1903 wurde
er
Apostolischer Protonotar
de numero (d. h. Mitglied der Kommission der sieben päpstlichen
Notare), ein Amt, das wenigstens mit einer geringfügigen Besoldung
dotiert war, und schließlich Dekan der Apostolischen Protonotare.
1926 ernannte das erst ein Jahr zuvor gegründete und von seinem
Freund J. P. Kirsch geleitete
Pontificio
Istituto di Archeologia Cristiana
Wilpert zum Honorarprofessor; er lehrte dort bis 1936.