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IIn
einem Gespräch, das Jörg B. Bilke mit
Monika Taubitz
1985 führte, wurde ihr u.a.
die Frage gestellt: „Sind Sie durch das aufwühlende Erlebnis der
Vertreibung, das Sie nicht loslässt, Schriftstellerin geworden?“
Darauf antwortete sie: „Das Erlebnis, besser gesagt: das Trauma der
Vertreibung hat bestimmt eine wesentliche Rolle gespielt. Aber der
eigentliche Grund war die damit verbundene große Armut.
Es gab
buchstäblich nichts, womit ich als Kind hätte z.B. spielen können. Aus
diesem nichts, gar nichts haben, aus diesem Freisein von Dingen, die ja
heute unsere Wohlstands-Kinder beschweren und nicht mehr zu sich kommen
lassen, aus diesem absoluten Freisein, davon hatte ich die Möglichkeit,
die inneren Bilder meiner Phantasie, meines Erlebens und Beobachtens,
meiner Vorstellungskraft wachsen zu lassen; ich glaube das war es, was
mich geprägt hat und später zu einer Schriftstellerin gemacht hat.“
Monika Taubitz ist am 2.
September 1937 im schlesischen Markt-Bokrau geboren worden, wo der Vater
als Lehrer tätig war. Nach dessen frühem Tod zog sie mit ihrer Mutter
nach Breslau, wo diese vor der Verheiratung gelebt hatte. Nach den immer
häufiger werdenden Bombenangriffen auf die Stadt zogen beide in das Haus
des Großvaters; der damals schon verstorben war, nach Eisersdorf in der
Grafschaft Glatz, wo man zurückgezogen lebte und bis zur Vertreibung
blieb.
In Nordenham in der
Wesermarsch, wohin man sie vertrieben hatte, mussten beide in einem
kleinen Dachstübchen ohne fließendes Wasser hausen, bis sich 1951 eine
Möglichkeit im Rahmen der Familienzusammenführung zum Umzug in das
Allgäu ergab. Im Anschluss an das 1958 abgelegte Abitur kam es zum
Studium am Pädagogischen Institut in Weingarten. Monika Taubitz steht
seit 1960 im Schuldienst und lebt heute in Meersburg am Bodensee.
Hervorgetreten ist Monika
Taubitz als Schriftstellerin mit dem Gedichtband Fallende Sterne,
der 1968 im Martin-Verlag erschienen ist, wo 1971 auch die Novelle
Schatten über dem Brunnen herauskam. Nach einer Reise in die
schlesische Heimat im Jahre 1972 erschien im Jahre 1973 im Verlag Werner
Jerratsch Schlesien – Tagebuch einer Reise, welches sie unterwegs
geschrieben hatte, um ihre Eindrücke von Grünberg, Hirschberg, dem
Riesengebirge, der Grafschaft Glatz, von Breslau und von Oberschlesien
unmittelbar wiederzugeben. Es war für sie ein aufwühlendes und auch sehr
entscheidendes Erlebnis gewesen, wie sie bekennt. Im Anhang sind einige
lyrische Gedichte nachzulesen, wo es unter dem Titel Der Friedhof
u.a. heißt: „Die Zeit lagert sich ab!/ Und Jahresringe/ kerben sich
ein/ in zerbrochene Steine./ Name um Name/ erlischt./ Es hört niemand
mehr/ auf den Mann/ an der Mauer./ Hundertmal hängt er/ gekreuzigt
dort,/ mit den Füßen nach, oben/…“. Ihr ist bewusst, dass Zeit im
Leben nie und nimmer zurückgeholt werden kann, es sei denn im Schreiben,
und das vollzieht sich dann in dem Roman Durch Lücken im Zaun,
der 1977 im Verlag Werner Jerratsch erscheint. Dazu äußerte sich die
Schweizer Schriftstellerin Beatrice Eichmann Leutenegger u.a. so:
„Aus dem Blickwinkel und Empfindungsraum des Kindes beschwört die
Autorin die vergangenen Zeiten der Seligkeit und des jähen Umschwungs.
Traum und Wirklichkeit, Ahnung und Gegenwart mischen sich hier in
eigentümlicher Weise, und Monika Taubitz vermag diesen Schwebezustand
bis zur letzten Seite des Buches durchzuhalten, so daß der Roman durch
diese Stimmigkeit des ihm eigenen Tons gefangen nimmt ...“ Es wird
von ihr eindringlich beschrieben, wie der Krieg ihr die Kindheit raubte
und schon beizeiten den Wechselfällen des Lebens auslieferte.
Gedichtbände legte die
Schriftstellerin unter den Titel Probeflug 1974 und Netze
werfend 1976 im gleichen Verlag vor. Mit dem Roman Treibgut,
der 1983 im Quell-Verlag in Stuttgart herauskam, setzte sie ihre
Kindheitserinnerungen fort. Er schildert die Ankunft mit einem
Vertreibungstransport in der Wesermarsch im März 1946, wo man sich fremd
unter Fremden fühlte, ausgesetzt, zunächst in Sammelunterkünften
kampierend, bis man in einer dürftigen Behausung unterkam. Der Roman ist
auch das Ergebnis einer Reise, die Monika Taubitz später dahin
unternommen hat, um sich all dessen noch einmal zu vergegenwärtigen. Die
Erzählung Dort geht Katharina oder Gesang im Feuerofen erschien
1984 bei Thorbecke in Sigmaringen; Schlesien – Blick ins Land,
ein Bildband, kam 1988 im Adam-Kraft-Verlag heraus, im gleichen Jahr
Schön wie der Mond – Meersburger Lesebuch. Zuvor erschienen 1983 in
der Esslinger Reihe Gedichte unter dem Titel Dir Spinnweb
Zeit, ins Netz gegangen, zu denen sich Dagmar von Mutius u.a. so
äußert: „Monika Taubitz ist auf der Suche nach dem ‚Gegenwort‘ – nach
jener Polarität aller Dinge, die wir betrachten, die wir lieben, an
denen wir leiden, die uns angehen.“ Nicht unerwähnt soll das
Hörspiel Gestörte Befragung bleiben, für das sie vom Ostdeutschen
Kulturrat 1981 ausgezeichnet wurde. Mit zahlreichen Lyrik- und
Prosabeiträgen ist Monika Taubitz in maßgeblichen Anthologien vertreten.
Im Anschlag der Wellen, ein Gedichtband mit einer Auswahl von
Lyrik aus den letzten Jahren und eine Neuauflage ihres Romans Durch
Lücken in Zaun sind im Bergstadtverlag in Würzburg erschienen.
Ein Land gab mir sein Wort – Gedichte über Schlesien – erschienen
2006 im Dresdner Neisse-Verlag, wo auch 2007 der Roman Abstellgleis
herauskam, der die letzten Tage einer aus Schlesien vertriebenen Frau in
einem westdeutschen Alten-Pflegeheim schildert.
Den
Eichendorff-Literaturpreis erhielt Monika Taubitz 1981, den
Förderpreis zum Kulturpreis Schlesien 1980 und den Päpstlichen
Verdienstorden Benemeriti 1976.
Sie ist Mitglied der
Künstlergilde in Esslingen, im Kulturwerk Schlesien, der
Ackermann-Gemeinde, der Droste-Gesellschaft und Vorsitzende des Wangener
Kreis. Den Volkskalender für Schlesier gibt sie seit 2001 heraus.
Bild: Justyna
Błoch-Białek.
Konrad Werner |
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