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Hubert Unverricht
wurde als zweiter Sohn des Kaufmanns Herbert Unverricht und seiner Frau
Hedwig geb. Hampel am 4. Juli 1927 in Liegnitz geboren.
Zunächst
besuchte er dort die katholische Volksschule (Ritterschule) und ab 1938
die Staatliche Oberschule für Jungen (das sog. Johanneum). Gegen Ende
des Krieges blieb ihm durch glückliche Fügung der Einsatz als Flakhelfer
oder Soldat erspart. Nach der Vertreibung am 23. Juli 1946 und kurzem
Aufenthalt im Lager Kleinwelka bei Bautzen besuchte er die Prima der
Oberschule zu Großenhain und legte hier bereits im Juni 1947 das Abitur
ab. Unmittelbar darauf folgte bis 1951 an der Humboldt-Universität
Berlin das Studium der Musikwissenschaft mit dem Doppelhauptfach
Musikgeschichte, Systematische Musikwissenschaft und Musikethnologie,
der Germanistik und der Philosophie. 1952 wechselte er an die Freie
Universität Berlin, wo er sein Studium (Doppelhauptfach
Musikwissenschaft und Nebenfach Germanistik) mit der Dissertation
Hörbare Vorbilder in der Instrumentalmusik bis 1750). Untersuchungen der
Vorgeschichte der Programmmusik und am 10.12.1953 mit dem
Doktorexamen abschloss.
Eine musikpraktische
Ausbildung erfuhr Hubert Unverricht seit frühester Jugend. Mit 12 Jahren
spielte er Geige im Schulorchester der Staatlichen Oberschule für Jungen
und in der Spielschar, einer Liegnitzer Vereinigung, in der musikalische
Mädchen und Jungen aus den nicht nationalsozialistisch eingestellten
Familien sich trafen. Direkt nach Kriegsende spielte er in polnischen
Restaurants als Geiger und wirkte in Liegnitz 1945 bei den ersten
Kirchenmusikkonzerten in St. Johannis mit. Entscheidende Impulse in
seiner geigerischen Laufbahn empfing er während seines Studiums durch
den zweiten Konzertmeister der Berliner Philharmoniker Hans Gieseler.
Nach seiner Promotion war
Hubert Unverricht für ein halbes Jahr Notangestellter am Berliner
Musikinstrumenten-Museum des Instituts für Musikforschung Preußischer
Kulturbesitz und bekam nach kurzer Arbeitslosigkeit eine Anstellung in
der Auslandsabteilung der GEMA in Westberlin, die er 13 Monate bis zu
seinem beruflichen Wechsel nach Köln innehatte. In dieser Zeit der
wirtschaftlichen Konsolidierung heiratete er am 26.5.1955 in Berlin
seine Mitabiturientin Renate Richter (* 5.9.1928, Grünberg/Schlesien).
Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor: Roswitha (* 2.3.1956, Berlin),
Susanne (* 2.4.1957, Köln), Matthias (* 21.1.1960, Köln), Sabine
(* 4.10.1963, Köln), Sebastian (* 13.10.1966, Mainz).
Am 1.3.1956 wurde Hubert
Unverricht für 6 1/2 Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Joseph
Haydn-Institut in Köln, das damals der berühmte Haydn-Forscher Jens
Peter Larsen aus Kopenhagen leitete. Neben seiner Herausgebertätigkeit
der Londoner Sinfonien, Haydn Werke I/18 (1963), der Sieben
letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze, Haydn Werke IV/1 (1959)
und XXVIII/2 (1961) und der Barytontrios Nr. 25-96, Haydn Werke
XIV/2-4 (1958-1964) entstanden auch die beiden musikphilologischen
Arbeiten Die Bedeutung der Zeichen Keil, Strich und Punkt bei Mozart
(Musikwissenschaftliche Arbeiten 10, Kassel 1957. S. 22-53) und Die
Eigenschriften und die Originalausgaben von Werken Beethovens in ihrer
Bedeutung für die moderne Textkritik (Musikwissenschaftliche
Arbeiten 17, Kassel 1960), die ihn in einer breiten
musikwissenschaftlichen Öffentlichkeit auch international bekannt
machten. Zum Wintersemester 1962/63 wechselte Hubert Unverricht an die
Johannes Gutenberg-Universität in Mainz als Wissenschaftlicher Assistent
am Musikwissenschaftlichen Institut. Dort habilitierte er sich 1967 mit
der Schrift Geschichte des Streichtrios (Mainzer Studien zur
Musikwissenschaft 2, Tutzing 1969) und wurde noch im gleichen Jahr zum
beamteten Privatdozenten für das Fach Musikwissenschaft und
Musikgeschichte ernannt. An der gleichen Universität folgten im Februar
1971 die Ernennung zum Außerplanmäßigen Professor, kurz darauf im Mai
die zum Wissenschaftlichen Rat und Professor (H 2) und 1974 schließlich
die Ernennung zum Abteilungsleiter und Professor (H 3). Im
Sommersemester 1980 übernahm Hubert Unverricht den neu eingerichteten
Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Katholischen Universität
Eichstätt als C 4-Professor, den er bis zu seiner Pensionierung am
1.10.1990 innehatte. Seine Hauptforschungsgebiete sind die Zeit ab 1600,
besonders die Zeit der Klassik und der Frühromantik, die Geschichte der
Kammermusik, die regionale Musikgeschichte des Rheinlandes, Bayerns und
Schlesiens, sowie Quellenkunde und Editionstechnik und das musikalische
Urheberrecht. Während seiner aktiven Dienstzeit arbeitete Hubert
Unverricht in den verschiedensten Universitätsgremien mit, anfangs noch
in der Fakultät, später im Fachbereichsrat, Senat, in der
Universitätsversammlung und in mehreren Ausschüssen.
Hubert Unverricht war 1966
Mitbegründer und anfangs Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft
musikwissenschaftlicher Herausgeber und Verleger (später umbenannt in
Verwertungsgesellschaft Musikedition) in Kassel, deren Ehrenmitglied er
2000 wurde. Ferner war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für
mittelrheinische Musikgeschichte (1974-1980), Vorstandsmitglied der
Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg, Mitglied des
Gerhard-Möbus-Instituts für Schlesienforschung an der Universität
Würzburg und des Joseph Haydn-Instituts in Köln. Seit 2004 ist er
Ehrenvorsitzender der Historischen Kommission für Schlesien,
Ehrenmitglied der Freunde und Förderer des Kulturwerks Schlesien sowie
der Historischen Gesellschaft Liegnitz. Von 1995-2001 war er auch
Vizepräsident und Präsident des Heimatwerks Schlesischer Katholiken.
Auf dem Felde seiner
wissenschaftlichen Publikationen war Hubert Unverricht ungemein
produktiv. Sein Schriftenverzeichnis umfasst 78 Schreibmaschinenseiten
und enthält über 800 Titel. Eine Bibliographie der Schriften bis 1990,
zusammengestellt von Regina Bauer, findet sich in der Festschrift
Hubert Unverricht zum 65. Geburtstag, S. 351-372. Seine
Veröffentlichungen bis 2005 in der 2. Auflage der MGG, Personenteil,
Band 16, 2006, Sp. 1217-1219. Werke, die sich auf die Musik bzw. die
Musikgeschichte des Ostens, Schlesiens oder der Stadt Liegnitz beziehen,
wurden aufgelistet in: Fünfunddreißig Jahre Forschung über
Ostmitteleuropa. Veröffentlichungen der Mitglieder des J. G.
Herder-Forschungsrates 1950-1984, Herder-Institut Marburg/Lahn 1985. S.
384-386. Ferner gab er heraus: Musik des Ostens, Band 8, 9, 10
und 11. Kassel/Marburg 1982, 1983, 1986 und 1989 und Liegnitzer
Lebensbilder des Stadt- und Landkreises, 4 Bände, Hofheim/Taunus:
Henske-Neumann 2001, 2003, 2004 und 2005.
Lit.:
Personenartikel „Unverricht, Hubert“ in verschiedenen
Musiknachschlagewerken seit dem Riemann Musiklexikon, Ergänzungsband
L-Z, Mainz: Schott 1975. – Festschrift Hubert Unverricht zum 65.
Geburtstag, hrsg. von Karlheinz Schlager, Tutzing: Schneider 1992
(Eichstätter Abhandlungen zur Musikwissenschaft). – Fünfundzwanzig Jahre
VG Musikedition, Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung von
Nutzungsrechten an Editionen (Ausgaben) von Musikwerken, vormals
Interessengemeinschaft Musikwissenschaftlicher Herausgeber und Verleger
(IMHV), Kassel: Bärenreiter 1993, S. 19-23. – Gundolf Keil, Akademischer
Festakt zum 75. Geburtstag von Hubert Unverricht, in: Schlesischer
Kulturspiegel 37 (2002), S. 45. – Günter Henle, Weggenosse des
Jahrhunderts. Als Diplomat, Industrieller, Politiker und Freund der
Musik, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1968. – Gregor Ploch,
Heimatwerk Schlesischer Katholiken: Anfänge-Verlauf-Aussichten, Münster
i.W. 2006 (Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte. Hrsg. vom
Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte im Auftrag des
Kuratoriums des Kardinal-Bertram-Stipendiums 16).
Bild: Atelier
Martin Nolde, Mainz, 2007.
Ulrich
Mazurowicz |
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