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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

  Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

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Sdralek Max Lukas     

* 11.10.1855 in Woszczytz/Oberschlesien

† 02.07.1913 in Landeck

Kirchenhistoriker.

   
 

Max Lukas Sdralek wurde als Sohn eines Volksschullehrers und seiner Ehefrau in einem damals fast 500 Einwohner zählenden oberschlesischen Ort geboren, in dem fast alle Menschen katholisch waren und polnisch sprachen.

Ab der Quinta besuchte er vier Jahre lang das Königliche katholische Gymnasium zu Gleiwitz und dann aus finanziellen Gründen das Königl. kath. St.-Matthias-Gymnasium zu Breslau, das den herausragenden Schüler 1875 mit dem Reifezeugnis entließ. Dieser folgte den Spuren seines zwölf Jahre älteren Bruders Julius, der später Pfarrer von Patschkau und Erzpriester wurde, und wandte sich in Breslau dem Studium der Theologie zu. Obgleich wohl zuerst etwas schüchtern und anämisch schloß er sich einer farbentragenden katholischen Studentenkorporation an und bekleidete dort in zwei Semestern das Amt des Seniors der Aktivitas.

 Weil er wegen des Kulturkampfes und der Abwesenheit des Breslauer Fürstbischofs Heinrich Förster, der sich im österreichischen Exil befand, nicht in Breslau zum Priester geweiht werden konnte, begab er sich auf Anraten des ihn sehr schätzenden Professors Hugo Laemmer 1879 zur Fortsetzung des Studiums an die Universität zu Freiburg im Breisgau, wo er sich besonders auf das Lernen bei dem Kirchen- und Kunsthistoriker Franz Xaver Kraus konzentrierte, dem er schon nach einigen Monaten die Dissertation „Hinkmars von Rheims kanonistisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II.“ vorlegte, also eine Arbeit mittelalterlicher Thematik, aufgrund derer Max Sdralek am 12. Juni 1880 die theologische Doktorwürde erhielt. Einen Monat später, am 13. Juli 1880, empfing er zu St. Peter im Schwarzwald die Priesterweihe.

Auf Antrag der Breslauer Katholisch-theologischen Fakultät und dank der Unterstützung durch F. X. Kraus erhielt Sdralek vom Preußischen Kultusministerium ein Stipendium, das ihm Forschungsreisen nach Wien, Budapest, Klosterneuburg, Melk, Göttweig, Kremsmünster, Admont, Salzburg und München ermöglichte, wo er in Bibliotheken nach Unterlagen über Papst Nicolaus I. (858-867) suchte, was zur Einreichung seiner Habilitationsschrift und Anfang 1882 zur Habilitation für Kirchengeschichte und Kirchenrecht an der Universität Breslau führte. Hier hielt der Privatdozent anschließend Vorlesungen in Kirchenrecht und auch über Diözesangeschichte, folgte jedoch bereits 1884 der Berufung als Ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an die Königliche Theologisch-philosophische Akademie in Münster, da weder in Breslau noch in seinem geliebten Freiburg eine entsprechende Position in Aussicht stand. Sdralek stand in kirchenpolitischen Fragen nicht im Lager des Ultramontanismus, beklagte Einengungen seitens der kirchlichen Hierarchie und stand insoweit auf der Linie seines liberalen Förderers Kraus, dem er immer wieder Briefe schickte. Unter dem Wechsel nach Münster hat Sdralek – der aus dem katholischen Oberschlesien Gebürtige im katholischen Westfalen – gelitten, obwohl er damals die wissenschaftlich ertragreichsten Jahre erlebte, sich als akademischer Lehrer bewährte und im Amtsjahr 1887/88 das Rektorat bekleidete, bei dessen Antritt er eine sehr bemerkenswerte Rede hielt. Er sehnte sich, auch wegen des seiner Gesundheit arg zusetzenden münsterschen (Regen-)Klimas, nach der Rückkehr in die schlesische Heimat und dachte sogar daran, dort eine Stelle in der Seelsorge – zeitlebens war Sdralek nie in der Gemeindeseelsorge fest beschäftigt – anzunehmen, um den als Verbannung empfundenen Zustand beenden zu können. Nach zwölfjähriger Abwesenheit von Schlesien konnte der Gelehrte endlich Mitte August 1896 nach Breslau an die Universität zurückkehren, als ordentlicher Professor, wo er zuerst nur kirchengeschichtliche Nebenfächer lesen sollte, aber schon 1897 das Fach Kirchengeschichte übernahm. Im Herbst 1901 übertrug man ihm dasjenige Domherrenamt, das jeweils einem Vertreter der Katholisch-theologischen Fakultät zustand.

Er wurde auch Kurator der Klöster des Ordens der Schwestern vom Guten Hirten in Breslau und in Kattern, Kreis Breslau. Allen Schwierigkeiten um seine Berufung nach Breslau zum Trotz machte Sdralek der Breslauer Universität und da vor allem der Katholisch-theologischen Fakultät große Ehre. Dank der sehr gründlichen Vorbereitung seiner Vorlesungen, seines ausgezeichneten Gedächtnisses und der glänzenden Rednergabe strömten die Studenten zu den fast immer frei vorgetragenen Vorlesungen, in denen sie viel lernen konnten. „Alles hing an seinen ungewöhnlich lebhaften Augen, wenn er zu reden anfing. Es bedurfte nur einiger Worte, und schon waren die Hörer in den fernen Zeiten und Räumen, von denen er sprach. Greifbar rückten die historischen Gestalten nahe, so deutlich schilderte er ihre Charaktere und Bilder.“ (Wittig). Doch wichtiger erschien ihm das Erfassen der Ideen und Rechtsanschauungen, die um den Sieg gerungen hatten. Und über allem stand ihm die Liebe zur Wahrheit, wenn ihm auch das Aufzeigen derselben – oder dessen, was er als Wahrheit ansah – nicht nur Zustimmung einbrachte.

Das Ansehen Sdraleks bei seinen Kollegen und das ihm von diesen entgegengebrachte Vertrauen hatten zur Folge, daß man ihn zum Fakultätsdekan für die Amtsjahre 1898/99 und 1905/06 und zum Rektor der Universität für das Amtsjahr 1906/07 wählte. Bei der Amtseinführung am 15. Oktober 1906 sprach er, rhetorisch meisterhaft, „Ueber die Ursachen, welche den Sieg des Christentums im römischen Reiche erklären“. – Anscheinend war der Gelehrte um diese Zeit bei der preußischen Regierung als Kandidat für den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen und Posen im Gespräch. Die zusätzlichen Belastungen im Rektorat und gegen ihn erhobene Verdächtigungen zehrten an seinem Lebensmark, und 1909 erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich wohl nicht mehr richtig erholte. Im Jubiläumssemester zum hundertjährigen Bestehen der Universität Breslau zwang er sich zwar 1911 wieder auf das Katheder, und die Fakultät wählte ihn erneut zum Dekan, doch dann mußte er seine Lehrtätigkeit beenden. Bei einem zur Erholung gedachten Aufenthalt in der Grafschafter Bergwelt starb Max Sdralek am 2. Juni 1913 im Alter von 57 Jahren zu Landeck. Die Beisetzung erfolgte in der Domherrengruft des Breslauer Domes.

Von einem so glänzenden akademischen Lehrer hätte man eine große Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen erwarten können. In dieser Hinsicht ließ Sdraleks Lebenswerk aber viel zu wünschen übrig. Ausgerechnet die in der „münsterschen Verbannung“ verbrachte Zeit ließ das meiste wachsen, und mit etwa 40 Jahren, nach der Rückkehr in die schlesische Heimat, entstand nur wenig. Als wesentlicher Grund ist die ausgesprochen starke Zuwendung zu seinen Studenten zu sehen, denen er immer hilfreich zur Seite stand bei ihren wissenschaftlichen Vorhaben. In den von ihm herausgegebenen „Kirchengeschichtlichen Abhandlungen“ (10 Bände) gelangte manch eine Schülerarbeit zum Druck. Auch die neben der Professur versehenen Ehrenämter und die zu bestimmten Themen gesammelte „Überfülle“ der Unterlagen behinderten ihn. Sdraleks große Erfolge lagen auf dem Gebiete des Lehrens, mehr als auf dem des Forschens. So kann er als Begründer der Breslauer Schule der Kirchenhistoriker betrachtet werden, zu der so tüchtige Leute wie die Professoren Franz Xaver Seppelt, Joseph Wittig, Felix Haase und Berthold Altaner gehörten. Während Seppelt auch als direkter Fortsetzer von Sdraleks frühmittelalterlichen Forschungen arbeitete, wurde der Dichtertheologe Wittig zum Biographen seines Lehrers, den er wiederholt in meisterlicher Sprache, schwungvoll-poetisch, würdigte, dabei auch Kritisches einfließen lassend. „Sdralek war ein akademischer Lehrer ohnegleichen geworden. Er verschmähte es nicht, Meisterwerke historischer Darstellung bald zur Grundlage, bald zum Ornament seiner Vorträge zu wählen, und er wählte immer vortrefflich, aber immer erst, nachdem er selbst mit der ihm eigenen gnadenvollen Intuition geschaut, was die gewählten Werke darstellten. Er hatte einen sicheren Blick für das Bleibende im raschen Wachstum der historischen Forschung.“ (Wittig) Der Sohn eines im slawischen Volkstum geborenen und preußischer Lehrer gewordenen Vaters und einer deutschen Mutter war ein akzentuiert deutschfühlender und kaisertreuer Professor.

Werke: Hinkmars von Rheims kanonistisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II. Ein Beitrag zur Kirchen-, Staats- und Rechtsgeschichte des IX. Jahrhunderts. Freiburg i.Br. 1881, Diss. – De S. Nicolai PP. I. Epistolarum Codicibus Quibusdam Manuscriptis, Wratislaviae 1882, Breslauer Kath.-theol. Habilitationsschrift. – Die Stellung der Geschichte zur Philosophie und Naturwissenschaft. Rektoratsrede, Münster 1888. – Deutschlands und Europas Trauer beim Tode Kaiser Wilhelms I., des Schöpfers des neuen deutschen Reiches, Paderborn 1888. – Die Streitschriften Altmann’s von Passau und Wezilo’s von Mainz, Paderborn 1890. – Wolfenbüttler Fragmente. Analekten zur Kirchengeschichte des Mittelalters aus Wolfenbüttler Handschriften (Kirchengeschichtliche Studien. Bd. 2, Heft 2), Münster i.W. 1891. – Die Straßburger Diözesansynoden, Freiburg i.Br. 1894 (Straßburger theologische Studien. Bd. 2, H, 1). – Über die Ursachen, welche den Sieg des Christentums im römischen Reiche erklären, Rektoratsrede, Breslau 1907. – Herausgeber: Kirchengeschichtliche Abhandlungen, Bd. 1-10, Breslau 1902-1912.

Lit.: Felix Haase, Die Aufgaben des Kirchengeschichtslehrers nach Professor Max Sdralek, in: Schlesisches Pastoralblatt 35, 1914, S. 8-12 und 17-21. – Joseph Wittig, Maximilian Sdralek, in: Chronik der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 28, 1914, S. 176-196. – Ders., Maximilian Sdralek, in: Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 1913, I. Bd., Breslau 1914, Nekrologe, S. 25-35. – Ders., Max Sdralek, in: Der Oberschlesier III, 1921, S. 634-636 und 659-662. – Ders., Max Sdralek, in: Schlesische Lebensbilder 1, 1922, S. 130-133; 2. Aufl., 1985, ebd. – Hubert Jedin, Kirchenhistoriker aus Schlesien in der Ferne, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 11, 1953, S. 243-259, hier S. 250-251. – Erich Kleineidam, Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811-1945, Köln 1961, sehr oft erwähnt, v. a. S. 90-91 und S. 151-152. – (Josef Negwer,) Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, hrsg. von Kurt Engelbert, Hildesheim 1964, siehe Register. – Hubert Schiel, Max Sdralek, der Begründer der Breslauer Kirchengeschichtsschule, im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 35, 1977, S. 239-284; 36, 1978, S. 159-203. – Rainer Bendel, Max Sdralek. Der Begründer der Breslauer kirchenhistorischen Schule, ebd. 55, 1997, S. 11-37. – Lexikon für Theologie und Kirche, IX. Bd., 1937, Sp. 389 (F. X. Seppelt). – Dasselbe, 2. Aufl.. IX. Bd., 1964, Sp. 554-555 (J. Gottschalk). – Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 9, 1995, Sp. 1264-1267 (K. Hausberger). – Franz Heiduk, Oberschlesisches Literatur-Lexikon, Teil 3, 2000, S. 92.

Bild: Erich Kleineidam, Die Katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811-1945, Köln 1961.

Hans-Ludwig Abmeier

 
 

Quelle; "Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen "