Gleiwitz                                                                                                                                                                                                                Strassenverzeichniss der Stadt Gleiwitz

  Gleiwitz, wuchs im Laufe von zwei Jahrhunderten von einem Dorf zu einer modernen und bedeutenden Großstadt heran, die im Wirtschaftsleben Oberschlesiens eine beachtliche Rolle spielte. Aufgeschlossener Bürgersinn spiegelte sich in der Neigung zu vielseitigen kulturellen Bestrebungen. Das „Haus Oberschlesien" (oben), damals als Hotelbau wohl einmalig in ganz Schlesien zu finden, wurde Mittelpunkt des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Der großzügig angelegte Hauptbahnhof (unten), dessen Hauptgebäude in neuzeitlicher Sachlichkeit ansprechend gestaltet war, wurde den an ihn gestellten Ansprüchen gerecht.

Gleiwitzer Kulturleben; Richard Wetz
GIeiwitz war hauptsächlich bekannt als Sitz großer Industrieverwaltungen und als Industrie- und Geschäftsstadt (Gleiwitzer Hütte, Gleiwitzer Drahtwerke). Als Bildungszentrum trat die Stadt weniger in den Vordergrund, obwohl sich in GIeiwitz ein Museum der bildenden Künste befand und die Stadtbücherei ein Jahrbuch mit wertvollen Studien herausgab. Vor dem Zweiten Weltkrieg beherbergte GIeiwitz eine stattliche Anzahl von Künstlern und Gelehrten; von ihnen seien hier zwei„Preußen auf Zeit" genannt, die als bayerische Studienassessoren einige Jahre in GIeiwitz Dienst•taten (da in Preußen ein Lehrermangel im höheren Schuldienst vorhanden war): Dr. Georg Beck aus Bamberg und Friedrich Demi aus Ebrach in Franken. Georg Beck trat als Kunsthistoriker hervor, Friedrich Demi als Dichter („Sprache der Dinge" 1932; „Regensburg, die steinerne Sage" 1935 u. a.). Deml wurde auch Mitarbeiter an der Zeitschrift „Der Oberschlesier". Einer der großen Künstler, die aus GIeiwitz stammen, ist der Musiker Richard Wetz. Wohl weil er außerhalb Oberschlesiens wirkte, ist er seinen Landsleuten etwas aus dem Blickfeld geraten. Richard Wetz wurde am 26. 2.1875 in GIeiwitz geboren. Er wurde Lehrer einer Meisterklasse für Komposition an der Musikhochschule in Weimar, wohnte aber im nahen Erfurt. Dort leitete er den namhaften „Erfurter Madrigalchor". Er wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, schrieb Bücher über Beethoven, Franz Liszt und Anton Bruckner, für den er sich auch durch Aufführungen einsetzte. Sein kompositorisches Werk enthält Lieder, Oratorien, Orgelwerke, Streichquartette, ein Violinkonzert und Sinfonien. Namentlich seien genannt: ein „Weihnachtsoratorium", ein „ Requiem", der Eichendorff-Zyklus „Nacht und Morgen" (für a-capella- Chor), eine „Kleist-Ouvertüre", die von dem berühmten Dirigenten Artur Nikisch mit dem Leipziger Gewandhaus-Orchester uraufgeführt wurde. - Richard Wetz war dem geschäftigen Betrieb des Kulturlebens abgeneigt; es kam ihm- typisch für einen Schlesier - auf das „Wesen" seiner Aufgabe an, der er sich widmete, nicht so sehr auf den augenblicklichen Triumph. Er ging „den Weg zu sich selber", aufgeschlossen dem Neuengegenüber, sofern es ihn durch Qualität überzeugte, aber auch unbeirrt von den Stimmen des Meinungsstreits. Sein Name stand in den großen Lexika der 30er Jahre und findet sich auch im Neuen Brockhaus von 1960. Ein teilweises Verzeichnis seiner Werke enthält das Heft „Ostdeutsches Musik und Liedgut", Verlag „Der Wegweiser", Troisdorf 1965, eine Würdigung dos Buch von Erhard Krieger „Ostdeutsche Charakterköpfe", Verlag Das Viergespann Homburg v. d. H. 1959.

Huberfus Kraft, Graf Sfrachwitz                     
Am 18. Dezember 1879 wurde in Gleiwitz, wo sein Vater als Landrat amtierte, Hubertus Kraft Graf von Strachwitz geboren. Nachdem er bereits als Rechts- und Regierungsreferendar Dienst getan hatte, wurde er Priester und begann als Schriftsteller hervorzutreten. In den zwanziger Jahren fanden seine Romane und Erzählungen aus der Welt der Kirche und des Adels ihre stärkste Beachtung. Der schlesische Adelsroman aus dem 19. Jahrhundert „Sidonia" (1950) und seine Autobiographie (Bd. l Wie ich Priester wurde, 1931, Bd. II Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, 1935) vermitteln ein farbiges Bild soziologischer und kulturhistorischer Verhältnisse. Graf Strachwitz starb vor 10 Jahren, am 20. Mai 1957 in Bad Tölz, wo er sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg niedergelassen hatte. Von seiner Familie sagte er (in der Autobiographie Bd. l, S. 11/12): „Die Familie meines Vaters wurzelte im slawisch-mährischen Gesenke unweit germanischer Herdfeuer vor mehr als einem Jahrtausend empor. Als Freunde und Berater der Plasten erwarben sie in Schlesien weiten Grundbesitz, standen als wackere Streiter in manchem harten Kampf, verbluteten zu Deutschlands Ehre bei Wahlstatt, geleiteten die Kreuzzüge, fochten unter Kaisern in heißen Schlachten,zu jeder frohen, tapferen Tat bereit. Mancher von ihnen trug das Gewand des Priesters. Durch sechs Jahrhunderte weisen die Familien Urkunden Mitglieder des geistlichen Standes auf. Der Letzte war Mauritius, Weihbischof am Breslauer Dom, Apostolischer Vikar während des Siebenjährigen Krieges, in Stellvertretung des flüchtigen Fürstbischofs Schaffgotsch.  Meine Geburt war etwa ein Jahrhundert nach seinem Tode. Daher standen meine viel frommen Tanten vollseelischer Begehrlichkeit an meiner Wiege und brachten ihre heiße Sehnsucht, in mir einst einen Priester der Kirche zu sehen, als unerbetenes Patengeschenk dar . . . Meine Mutter, eine sächsische Protestantin, äußerte nichts, sie war gewohnt, alles Gott zu überlassen. Sie lächelte wohl über den Eifer der Tanten. Dann nahm sie mich in die Arme, zeichnete ein Kreuz über die kleine Stirn und nannte mich Kraft Gottes ..."  

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